Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Nachlaßgerichts. Örtliche Zuständigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Gericht ist mit der Sache i.S. des § 5 I FGG befasst, wenn es amtlich von Tatsachen Kenntnis erlangt, die Anlass zu gerichtlichen Maßnahmen geben. Durch die dem Gericht als Verwahrungsgericht obliegende Testamentseröffnung allein ist dieses nicht mit einer Sache befasst worden iSv. § 5 I FGG.

 

Normenkette

FGG § 5 Abs. 1, § 5 S. 1; BGB § 2261

 

Verfahrensgang

AG Bad Homburg (Entscheidung vom 08.07.1997; Aktenzeichen 4 IV Sch 36/97)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 160 IV 123/97)

 

Tenor

Eine Zuständigkeitsbestimmung wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Erblasser wurde am 12.8.1890 in … in der … geboren. Er war verheiratet mit der am 12.5.1887 in … (ehemals Kreis …) geborenen … … Mit ihr hatte er am 15.9.1919 privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Die Eheleute wohnten damals in … bei … Sie ließen das gemeinschaftliche Testament durch einen Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. als dem für ihren damaligen Wohnsitz zuständigen Amtsgericht im Oktober 1919 hinterlegen. Seit den dreißiger Jahren lebten die Testatoren getrennt, und zwar der Erblasser in … in der … und seine Ehefrau weiter in … Durch gleichlautende privatschriftliche Erklärungen vom 20.6.1940 gaben die Testatoren ihren beiderseitigen Willen kund, daß sie den Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.9.1919 zurücknehmen, dieses Testament also ungültig sein solle. Ihre beiderseitigen Erklärungen hinterlegten sie bei dem Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. im November 1940.

Der Erblasser, dessen Staatsangehörigkeit sich nicht aus den Akten ergibt, ist am 6.7.1963 in …, seinem letzten Wohnsitz verstorben, und zwar nach seiner Ehefrau …

Das Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. hat, nachdem ihm der vom Zivilstandsbeamten in … am 10.3.1997 ausgestellte Todesschein über den Tod des Erblassers am 8.4.1997 zugegangen war, am 16.4.1997 das gemeinschaftliche Testament vom 15.9.1919 und die beiden privatschriftlichen Erklärungen der Testatoren vom 20.6.1940 eröffnet. Mit Verfügung vom 16.4.1997 hat es die von ihm eröffneten Urkunden nebst einer beglaubigten Abschrift der über die Eröffnung aufgenommenen Niederschrift gemäß § 2261 BGB dem Amtsgericht Schöneberg übersandt mit dem Bemerken, in seinem Bezirk dürften sich keine Nachlaßgegenstande befinden, weil weder der Erblasser dort zuletzt gewohnt habe noch Beteiligte dort zu ermitteln seien.

Das Amtsgericht Schöneberg hat durch Verfügung vom 26.5.1997 sich gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG für zuständig erklärt und die Bearbeitung der Sache nach § 73 Abs. 2 Satz 2 FGG dem Nachlaßgericht Bad Homburg v.d.H. übertragen mit der Begründung ein wichtiger Grund für die Abgabe liege deshalb vor, weil sich die am 16.4.1997 eröffneten Verfügungen von Todes wegen bei dem Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. in besonderer amtlicher Verwahrung befunden hätten. Das Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. hat unter dem 24.6.1997 die Übernahme der Sache abgelehnt und sich darauf berufen, es liege kein wichtiger Grund für eine Abgabe vor. Nachdem das Amtsgericht Schöneberg, die Rücknahme der Sache unter dem 1.7.1997 mit der Begründung abgelehnt hatte das Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. sei an die Abgabe gebunden und dürfe das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht nachprüfen, hat das Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. unter dem 8.7.1997 die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 5 FGG vorgelegt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits nicht berufen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FGG).

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG wird das örtlich zuständige Gericht durch dasjenige Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört, wenn – wie hier – gemeinschaftliches oberes Gericht für die am Streit beteiligten Gerichte der Bundesgerichtshof ist. Zuerst mit der Sache befaßt war hier das Amtsgericht Schöneberg als Nachlaßgericht. Zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits ist daher das Kammergericht in Berlin berufen.

Unter „Sache” im Sinn der §§ 4, 5 FGG versteht das Gesetz diejenige Angelegenheit, die Gegenstand eines selbständigen und einheitlichen Verfahrens sein kann (BayObLGZ 1984, 289/292). Im Streitfall liegt kein Antrags verfahren vor, da kein Verfahrensbeteiligter einen Antrag an das Nachlaßgericht gerichtet hat. Es geht vielmehr darum, welches Gericht von Amts wegen die zur Zuständigkeit das Nachlaßgerichts gehörender. Obliegenheiten nach der Testamentseröffnung (§ 2261 BGB), wie die Benachrichtigung vom Inhalt der Verfügungen (§ 2262 BGB) und die danach möglicherweise erforderliche Gestattung der Einsichtnahme und Erteilung von Abschriften (§ 2264 BGB) zu erfüllen hat.

Im Amtsverfahren ist ein Gericht mit der Sache befaßt, wenn es amtlich von Tatsachen Kenntnis erlangt, die Anlaß zu gerichtlichen Maßnahmen geben (KG OLGZ 1994, 73; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. Rn. 27, Bassenge/Herbst FGG/RPflG...

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