Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des anwaltlichen Berufsbetreuers zur Inanspruchnahme von Beratungshilfe
Leitsatz (amtlich)
Der anwaltliche Berufsbetreuer hat bei der Erbringung berufsspezifischer Dienste für den mittellosen Betroffenen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens vorrangig Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Ein über die Sätze der Beratungshilfe hinausgehender Aufwendungsersatz kommt nicht in Betracht.
Normenkette
BeratHiG § 1 Abs. 2, § 2; BGB § 1835 Abs. 3, § 1908i Abs. 1; FGG §§ 56g, 69e
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 27.03.2006; Aktenzeichen 5 T 733/03) |
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des AG Offenbach am Main vom 14. November 2002 und des Beschlusses des LG Darmstadt vom 27.3.2006 wird der Beteiligten zu 1) auf ihre Anträge vom 7.12.2001 sowie 19. und 20.1.2002 ein Aufwendungsersatz i.H.v insgesamt 549,96 EUR einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.
Die weitergehenden Vergütungsanträge werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) war von April 1999 bis September 2004 für den mittellosen Betroffenen zur Berufsbetreuerin u.a. mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt.
Nachdem es nach 15monatiger Abwesenheit des Betroffenen bei der Rückkehr an seinen Arbeitsplatz zu Problemen kam und eine Änderungskündigung mit erheblicher Gehaltskürzung im Raum stand, erkundigte sich die Beteiligte zu 1) bei der zuständigen Rechtspflegerin und erhielt im Februar 2001 die Auskunft, es bedürfe keiner Erweiterung der Betreuung, eine diesbezügliche Tätigkeit sei vom Aufgabenkreis der Vermögenssorge gedeckt.
Die Beteiligte zu 1) verhandelte daraufhin mit dem Arbeitgeber und schloss schließlich unter dem 3.4.2001 mit diesem eine schriftliche Vereinbarung über die Änderung des Arbeitsvertrages, welche antragsgemäß mit Beschluss vom 5.4.2001 durch die Rechtspflegerin vormundschaftsgerichtlich genehmigt wurde.
Außerdem verhandelte sie mit dem Arbeitgeber außergerichtlich wegen zwei Abmahnungen vom 25.6.2001 und 5.7.2001 und erreichte jeweils, dass der Arbeitgeber diese zurücknahm.
Mit Schreiben vom 7.12.2001 beantragte die Beteiligte zu 1) ihr wegen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bezüglich der Abmahnung vom 5.7.2001 als Berufsbetreuerin einen Aufwendungsersatz nach den Gebühren eines Wahlanwaltes nach der BRAGO i.H.v 794,60 DM gegen die Staatskasse festzusetzen.
Mit weiterem Schreiben vom 19.1.2002 beanspruchte sie wegen der anwaltlichen Tätigkeit bezüglich der Abmahnung vom 25.6.2001 eine ebenfalls nach den Gebühren eines Wahlanwaltes nach der BRAGO berechneten Aufwendungsersatz aus der Staatskasse i.H.v 357,41 EUR.
Außerdem beantragte die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 20.1.2002 wegen ihrer anwaltlichen Tätigkeit bezüglich der Änderungskündigung einen nach den vollen Gebühren der BRAGO berechneten Aufwendungsersatz i.H.v 1.463,83 EUR.
Mit Beschluss vom 17.4.2002 wurde die Betreuung um die Aufgabenkreise der Arbeitsrechts- und Wohnungsangelegenheiten erweitert.
Die Beteiligte zu 2) machte geltend, die Tätigkeiten zur Erledigung der arbeitsrechtlichen Angelegenheiten seien vom Aufgabenkreis der Vermögenssorge objektiv nicht umfasst und deshalb nicht vergütungsfähig. Allenfalls könne auf den Antrag vom 7.12.2001 als Aufwendungsersatz eine Gebühr von 110 DM zzgl. Auslagenersatz und Mehrwertsteuer, insgesamt also 146,74 DM festgesetzt werden.
Dem folgend setzte die Rechtspflegerin des AG Offenbach mit Beschluss vom 14.11.2002 auf den Antrag vom 7.12.2001 einen Aufwendungsersatz i.H.v insgesamt 75,03 EUR fest und wies diesen Antrag im Übrigen sowie die Anträge vom 19. und 20.1.2002 vollständig zurück.
Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) änderte das LG mit Beschluss vom 27.3.2006 die amtsgerichtliche Entscheidung ab und setzte auf die 3 Anträge die dort jeweils beantragten Beträge in der Gesamthöhe von 2.227,51 EUR einschließlich 16 % Mehrwertsteuer gegen die Staatskasse fest. Zur Begründung führte das LG aus, zwar habe der Aufgabenkreis der Vermögenssorge objektiv die arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nicht eingeschlossen, jedoch müsse unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die erteilte Auskunft und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eine Vergütung bewilligt werden. Es habe sich bei den Tätigkeiten bezüglich der beiden Abmahnungen und der Änderungskündigung um anwaltsspezifische Tätigkeiten der Betreuerin gehandelt, die nach den vollen Gebühren der BRAGO abgerechnet werden könnten. Die Beteiligte zu 1) könne im vorliegenden Fall nicht auf die grundsätzlich für den anwaltlichen Betreuer eines Mittellosen in Betracht kommende Begrenzung der Gebühren gem. § 123 BRAGO verwiesen werden, da für die abgerechneten Tätigkeit mangels gerichtlicher Geltendmachung eine Beantragung von Prozesskostenhilfe nicht möglich gewesen sei. Des Weiteren komme auch eine Beschränkung der Gebührenhöhe nach dem Beratungshilfegesetz vorliegend nach der Rechtsprechung des BayObLG, welcher die Kammer folge...