Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung der elterlichen Sorge bezüglich der minderjährigen Kinder … und …
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 17.06.1992; Aktenzeichen 28 F 582/91) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 118 Abs. 4 ZPO, 127).
Gründe
Die Beschwerde der Staatskasse ist nicht zulässig. Die Voraussetzungen, unter denen die Staatskasse sich gegen die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wenden kann, sind nicht erfüllt, § 127 Abs. 3 S. 1, 2 ZPO. Die Staatskasse wendet sich hier vielmehr dagegen, daß die Prozeßkostenhilfe auf einen Zeitpunkt rückbezogen wurde, in dem – wie vom Vertreter der Staatskasse vorgetragen wird – ein formgerechter Antrag auf Bewilligung nicht vorgelegen habe. Es liege ein Fall greifbarer Gesetzwidrigkeit bei der Gewährung von Prozeßkostenhilfe vor.
Es mag hier dahinstehen, ob und in welchen Fällen die Staatskasse ein derartiges außerordentliches Beschwerderecht haben könnte. Der Senat schließt sich insoweit der Ansicht des OLG Düsseldorf an (FamRZ 88, 1299), wonach der Gesetzgeber mit der Neufassung der Abs. 2 und 3 des § 127 durch Art. 7 des Kostenänderungsgesetzes vom 9.12.1986 eindeutig festgelegt hat, in welchen (engen) Grenzen die Staatskasse die Möglichkeit hat, fiskalische Interessen mit der Anfechtung von PKH-Bewilligungen zur Geltung zu bringen. Dieser Eingrenzung kann auch der Schluß entnommen werden, daß im übrigen selbst fehlerhafte Entscheidungen hinzunehmen sind.
Selbst wenn man aber der auch vertretenen Meinung folgte, in Fällen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeiten stehe der Staatskasse über den von § 127 Abs. 3 ZPO gezogenen Rahmen ein Beschwerderecht zu, könnte hier von einer solchen Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein. Das Amtgericht hat hier als maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung den des anwaltlichen Antrags gewählt. Dieser Antrag ist ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.10.1991 eingangs der mündlichen Verhandlung gestellt worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Sache noch nicht abgeschlossen war und anwaltliche Gebühren noch entstehen konnten.
Dieser Zeitpunkt ist nach allgemeiner Meinung als Anknüpfung einer PKH-Bewilligung denkbar (vgl. z.B. Zöller-Schneider, ZPO, 16. Aufl., § 119 Rn. 17 ff.; auch OLG Frankfurt am Main NJW-RR 89, 192). Eine solche Rückbeziehung steht mit dem Gesetz in Einklang (OLG Düsseldorf a.a.O., 1300).
Die Gesetzwidrigkeit laßt sich hier auch nicht daraus herleiten, daß der amtliche Vordruck erst Monate später eingereicht wurde, Belege für das Einkommen des Antragstellers bis heute nicht. Auch ohne diese Unterlagen konnte das Amtsgericht positiv über den PKH-Antrag entscheiden. Der Senat hält an seiner wiederholt geäußerten Ansicht fest, daß der amtliche Vordruck lediglich eine Entscheidungshilfe für das Gericht ist, nicht aber prozessuale oder materielle Entscheidungsvoraussetzung (so zuletzt Beschluß vom 22.8.90 – 5 WF 154/90).
Der Senat hat außerdem die Meinung vertreten, daß Belege dann nicht erforderlich sind, wenn die wirtschaftliche Situation in anderer Weise glaubhaft gemacht ist (a.a.O.); daran ist ebenfalls festzuhalten. Im vorliegenden Fall befindet sich bei den Akten die Ablichtung eines Schriftsatzes vom 28.6.1991 in dem Rechtsanwalt … im einzelnen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers darlegt. Diese Angaben genügen zu lassen, stellt jedenfalls keine „greifbare Gesetzwidrigkeit”, sondern nur die Ausübung des dem Richter zustehenden Ermessens bei der Bewertung wirtschaftlicher Verhältnisse dar, die – wie schon eingangs erörtert wurde – einer Nachprüfung durch die Staatskasse lediglich in ganz eingeschränktem Maße zugänglich ist.
Schließlich hat der Senat in dem o.a. Beschluß auch ausgeführt, daß ein Antragsteller, dem nachgelassen wird, Unterlagen noch einzureichen, ohne daß dafür eine Frist gesetzt wird, auch noch nach Abschluß eines Verfahrens unter dem Gesichtspunkt einesfairen Verfahrens eine Entscheidung über seinen PKH-Antrag erwarten kann. Auch diesen Standpunkt gibt der Senat nicht auf.
Es bleibt also festzuhalten:
Die Staatskasse hat nach dem Willen des Gesetzgebers ohnehin nur in engem Rahmen ein Beschwerderecht nach § 127 Abs. 3 ZPO zur Wahrung fiskalischer Interessen. Im übrigen verstößt die Entscheidung des Amtsgerichts nicht gegen das Gesetz, das zu der Frage, bis auf welchen Zeitpunkt die Bewilligung von PKH zurückbezogen werden kann, nichts sagt, und auch nicht gegen in der Rechtsprechung entwickelte Maßstäbe, bei deren Nichtbeachtung ohnehin nicht von einer „greifbaren Gesetzwidrigkeit” gesprochen werden könnte.
Unterschriften
Dr. Meyer, Dr. Däther, Held
Fundstellen