Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Beschwerdebefugnis der Staatskasse
Leitsatz (amtlich)
1. Der Staatskasse steht kein Beschwerderecht gegen die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu.
2. Eine Beschwerde der Staatskasse mit dem Ziel der Verweigerung bewilligter Prozeßkostenhilfe und/oder erfolgter Rechtsanwaltsbeiordnung ist auch dann unstatthaft, wenn sich die Staatskasse auf „greifbare Gesetzwidrigkeit” des Prozeßkostenhilfebeschlusses beruft.
Normenkette
ZPO § 127 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.12.1995; Aktenzeichen 11 Ca 2272/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08.12.1995 – 11 Ca 2272/95 – wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Gründe
Die Bezirksrevisorin wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die im Rahmen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) erfolgte Beiordnung einer Rechtsanwältin an die Klägerin für den Ausgangsrechtsstreit. In diesem hatte der ursprüngliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Gewährung von PKH und seine Beiordnung beantragt. Nach Niederlegung des Mandats durch diesen und die Übernahme der Vertretung der Klägerin durch eine andere Rechtsanwältin schlossen die Parteien im arbeitsgerichtlichen Kammertermin vom 26.10.1995 einen verfahrensbeendigenden gerichtlichen Vergleich. Mit Beschluß vom 08.12.1995 bewilligte das Arbeitsgericht ohne Ratenzahlungsverpflichtung der Klägerin Prozeßkostenhilfe und ordnete der Klägerin deren letzte Prozeßbevollmächtigte bei, nachdem diese wegen der PKH angefragt und ihre Beiordnung beantragt hatte.
Die Bezirksrevisorin vertritt die Ansicht, der Umstand, daß die letzte Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erst nach Abschluß des Verfahrens ihre Beiordnung beantragt habe, begründe hinsichtlich der erfolgten Rechtsanwaltsbeiordnung einen greifbaren Gesetzesverstoß. Deshalb stehe der Staatskasse ein Beschwerderecht zu.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde der Staatskasse ist unzulässig, weil unstatthaft.
Nach § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO findet gegen die Bewilligung der PKH die Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beiträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat (§ 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Diese Beschränkung der Beschwerdebefugnis der Staatskasse schließt auch ein Beschwerderecht gegen die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von PKH aus. Durch § 127 Abs. 3 ZPO soll nämlich erkennbar die Staatskasse bei der Wahrnehmung der fiskalischen Interessen darauf beschränkt sein, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der begünstigten Partei der Überprüfung zuzuführen. Bei der Frage der Beiordnung eines Rechtsanwalts geht es nicht hierum, sondern um die Beurteilung einer Rechtsfrage, nämlich ob die Beiordnung notwendig oder gar geboten ist (§ 121 Abs. 1 und 2 ZPO). Eine derartige Entscheidung soll die Staatskasse, wie die ausdrückliche gesetzliche Beschränkung ihrer Beschwerdebefugnis augenfällig zeigen nicht beeinflussen können (ebenso: OLG Düsseldorf 09.05.1989 MDR 89,827; LAG Bremen 03.01.1992 NZA 92, 567; Thomas/Putzo, ZPO 19. Aufl. 1995 § 127 Randziffer 7; Zöller/Philippi, ZPO 19. Aufl. 1975 § 127 Randziffer 37; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. 1993 § 127 Randziffer 10).
Etwas anderes gilt im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil die Beiordnung der Rechtsanwältin durch das Arbeitsgericht „greifbar gesetzeswidrig” gewesen ist.
Freilich wird verbreitet die Auffassung vertreten, die Staatskasse könne außerhalb der bestehenden gesetzlichen Regelung auch eine sie belastende „greifbare Gesetzeswidrigkeit” beschwerdeführend geltend machen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 53. Aufl. 1995 § 127 Randziffer 25; Zöller/Philippi a. a. O. § 127 Randziffer 33 a jeweils m. w. N.). Dieser Auffassung vermag die erkennende Beschwerdekammer nicht zu folgen. Außerhalb von § 127 Abs. 3 ZPO gibt es keine Beschwerdebefugnis der Staatskasse (ebenso: LAG Schleswig-Holstein 12.01.1990 LAGE § 127 ZPO Nr. 21; OLG Oldenburg 10.03.1992 JurBüro 94,44; wohl auch OLG Frankfurt am Main 16.10.1992 Rechtspfleger 93,251; zweifelnd LAG Köln LAGE § 127 ZPO Nr. 22).
Der Wortlaut von § 127 Abs. 3 ZPO besagt freilich insoweit nichts entscheidendes. Denn Charakteristikum einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit ist gerade, daß sie ohne Rücksicht auf den Wortlaut aus übergeordneten Interessen heraus zulässig ist (vgl. BGH 26.05.1994 NJW 94,2363). Der erkennbare, durch historisch-genetische Auslegung belegbare Sinn und Zweck des § 123 Abs. 3 ZPO zeigt jedoch, daß auch ein solcher außerordentlicher Rechtsbehelf für die Staatskasse nicht in Betracht kommen kann. Erkennbarer Sinn und Zweck des § 127 Abs. 3 ZPO ist es, der Staatskasse die Möglichkeit z...