Leitsatz (amtlich)
Ein Berufungsantrag, mit dem der Widerbeklagte nicht Beseitigung der im angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt, sondern eine positive Feststellung, ist unzulässig. Ein eigener Sachantrag gegen den Widerkläger ist zwar auch dem Widerbeklagten grundsätzlich möglich (Wider-Widerklage); in der Berufung muss dieser sich indes an den Voraussetzungen des § 533 ZPO messen lassen.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 1 O 499/05) |
Gründe
... weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 II ZPO).
Die Parteien sind Verwandte, die das gleiche Haus bewohnen und über ihr Recht hierzu streiten.
Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses und bewohnt das Erdgeschoss. Die Klägerin, die Mutter seiner verstorbenen Frau, hat ein mit notarieller Urkunde bestelltes lebenslängliches und unentgeltliches Insitzrecht als Altenteilsrecht am zweiten Stock des Hauses, bewohnt jedoch den ersten Stock. Der Drittwiderbeklagte, Stiefgroßvater der verstorbenen Frau des Beklagten, bewohnt seit mindestens 1983 das zweite Obergeschoss und hat ein grundbuchrechtlich eingetragenes Wohnrecht für das Erdgeschoss des Hauses.
Nach dem Tod der Ehefrau des Beklagten im Jahr 2003 kam es zum Streit zwischen den Parteien. Die Klägerin verlangt die Einwilligung des Beklagten in die Berichtigung der notariellen Urkunde dahin, dass sich ihr Wohnrecht auf den ersten Stock erstreckt. Der Beklagte verlangt widerklagend Feststellung, dass sich das Wohnrecht nicht auf den Balkon des ersten Stocks bezieht, hilfsweise Räumung des ersten Stocks durch die Klägerin, hilfshilfsweise Feststellung, dass der Drittwiderbeklagte nicht berechtigt sei, von ihm die Räumung des Erdgeschosses oder Zahlung einer Miete hierfür zu verlangen.
Das Landgericht hat die Klage und den auf Räumung gerichteten Widerklageantrag abgewiesen, den Feststellungsanträgen der Widerklage dagegen stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Widerbeklagten, der sich der Beklagte angeschlossen hat.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Unzulässig ist der gestellte Antrag, mit dem der Widerbeklagte nicht Beseitigung der im Urteil liegenden Beschwer erstrebt, sondern eine positive Feststellung. Abgesehen davon, dass die Feststellung des Bestehens von Räumungs- und Zahlungsansprüchen wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der hier ohne weiteres möglichen Leistungsklage ohnehin unzulässig wäre (BGH NJW 1997, 870; BGH NJW 1996, 2725), kann der Beklagte mit der Berufung grundsätzlich nur seinen erstinstanzlichen Antrag - Abweisung der gegen ihn gerichteten Widerklage - verfolgen (BGH NJW 2003, 2172; BGH BauR 2006, 1784). Ein eigener Sachantrag gegen den Widerkläger ist zwar auch dem Widerbeklagten grundsätzlich möglich ("Wider-Widerklage", BGH NJW-RR 1996, 65), in zweiter Instanz muss dieser sich indes an den Voraussetzungen des § 533 ZPO messen lassen, die vorliegend nicht gegeben sind.
Der Antrag des Berufungsführers kann jedoch als Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der gegen ihn gerichteten Feststellungsklage ausgelegt werden. Die Rechtskraftwirkung umfasst nach der herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie (BGHZ 3, 86) auch das kontradiktorische Gegenteil, so dass bei Abweisung der negativen Feststellungsklage das Bestehen des Rechtsverhältnisses festgestellt ist und damit dem Begehr des Berufungsführers durch die bloße Abweisung der Klage entsprochen werden kann.
Die Berufung hat indes in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dem Drittwiderbeklagten bezüglich der Räume im Erdgeschoss weder ein Räumungs- noch ein Mietzahlungsanspruch gegen den Beklagten zusteht. Dabei kann dahinstehen, ob man in dem Umstand, dass alle Beteiligten seit Jahrzehnten abweichend von den bestehenden dinglichen Wohnrechten mit der praktizierten Raumverteilung einverstanden waren, ein konkludente Vereinbarung oder eine Verwirkung des Rechts auf Durchsetzung der verbrieften Rechte sieht.
Gegen diese Auffassung vermag auch die Berufung nichts vorzubringen. Dass der Drittwiderbeklagte bei seinem Umzug ins Obergeschoss aus Gefälligkeit der Ehefrau des Beklagten gegenüber handelte, beschreibt seine damaligen Motive, ohne die rechtliche Qualität des jahrzehntelangen vorbehaltlosen Verbleibens im Obergeschoss zu berühren. Dass mit dem Tod der Ehefrau des Beklagten im Jahr 2003 ein Grund zur Anfechtung entstanden oder zumindest die Geschäftsgrundlage weggefallen wäre, ist nicht ersichtlich.
Mit der Erfolglosigkeit der Berufung verliert die Anschlussberufung ohne weiteres ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4...