Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr auf die dem gem. § 121 ZPO beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich ist gem. § 15a Abs. 1 RVG in Verbindung mit Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV eine Anrechnung der in der gleichen Angelegenheit entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts vorzunehmen, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt Vorschüsse oder Zahlungen erhalten hat. Der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr ist aber zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung anzurechnen.

 

Normenkette

RVG § 15a Abs. 1, §§ 45, 58; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; ZPO § 121

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 12.04.2013; Aktenzeichen 4 O 159/11)

 

Tenor

In der Beschwerdesache ... wird der Beschluss des LG Limburg a. d. Lahn vom 12.4.2014 auf die Beschwerde vom 19.4.2013 dahingehend abgeändert, dass der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des LG vom 20.2.2013 auf die Erinnerung vom 1.3.2013 abgeändert und die Prozesskostenhilfevergütung des Beschwerdeführers auf 1.652,32 EUR festgesetzt wird.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Die Klägerin nahm den Beklagten als Insolvenzverwalter vor dem LG in Limburg a. d. Lahn auf Herausgabe einer Bürgschaft, hilfsweise Feststellung, dass dem Beklagten keine Werklohnansprüche gegen die Klägerin zustehen, in Anspruch.

Die Beklagte verfolgte widerklagend Werklohnansprüche i.H.v. 110.729,74 EUR. Mit Beschluss vom 12.1.2012 wurde dem Beklagten unter Beiordnung des Beschwerdeführers Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage und für die Widerklage bewilligt, soweit er die Zahlung eines Betrages von 85.178,06 EUR begehrt. Am 13.7.2012 schlossen die Parteien schließlich gem. § 278 Abs. IV ZPO einen Vergleich unter Kostenaufhebung. Der Gegenstandswert wurde durch Beschluss vom 2.8.2012 für die Zeit bis zum 15.1.2012 auf 239.227,49 EUR und danach auf 213.675,81 EUR und für den Vergleich auf 239.227,49 EUR festgesetzt. Zugleich wurde die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsabschluss und den in dem Vergleich enthaltenen Mehrwert erstreckt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 14.12.2012 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen, und zwar - jeweils aus dem Gegenstandswert von 213.675,81 EUR - eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 508,30 EUR, eine 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 469,20 EUR und eine Einigungsgebühr i.H.v. 391,- EUR zzgl. Postpauschale und Umsatzsteuer und teilte auf eine Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des LG mit, dass eine Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 110.729,74 EUR i.H.v. 1.860,30 EUR entstanden sei. Mit Verfügung vom 20.2.2013 setzte die Rechtspflegerin die an den Beschwerdeführer auszuzahlende Vergütung auf 1.047,44 EUR fest, wobei sie die entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anrechnete, so dass diese in Wegfall geriet. Der hiergegen seitens des Beschwerdeführers eingelegten Erinnerung vom 1.3.2013 half die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 20.3.2013 nicht ab, nachdem der Bezirksrevisor mit Verfügung vom 13.3.2013 Stellung genommen und die Zurückweisung der Erinnerung beantragt hatte. Das LG wies die Erinnerung sodann mit Beschluss vom 12.4.2013 zurück. Mit der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde vom 19.4.2013 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr und macht geltend, die Anrechnung habe zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung zu erfolgen.

2. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 56 Abs. 2, S. 1; 33 Abs. 3, 4 RVG. Insbesondere ist die in § 33 Abs. 3, S. 1 ZPO genannte Mindestbeschwer überschritten und die Beschwerdefrist (§ 33 Abs. 3, S. 3 RVG) gewahrt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 12.2.2010 - 18 W 3/10 und Beschl. v. 12.12.2011 - 18 W 214/11) angesichts der entgegenstehenden Entscheidungen des 14. Zivilsenats vom 17.10.2012 - 14 W 88/12 und des 4. Familiensenats vom 16.2.2012 - 4 WF 224/11 sowie und der Entscheidungen des KG vom 13.1.2009 - 1 W 496/08, des OLG München vom 10.12.2009 - 11 W 2649/09, des OLG Zweibrücken vom 11.5.2010 - 2 WF 33/10, des OLG Braunschweig vom 22.3.2011 - 2 W 18/11, des OLG Brandenburg vom 25.7.2011 - 6 W 55/10, des OLG Oldenburg vom 1.9.2011 - 13 W 29/11 und des OLG Celle vom 7.11.2013 - 2 W 235/13 und angesichts des Umstands, dass nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG eine Beschwerde zum BGH nicht statthaft ist, nicht mehr fest, weil dies einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung abträglich wäre.

Danach ist wegen § 15a Abs. 1 RVG i.V.m. Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 VVRVG zwar grundsätzlich eine Anrechnung der in der gleichen Angelegenheit entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des beigeordneten R...

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