Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Elternteil jemandem eine Sorgerechtsvollmacht erteilt und stirbt dieser Elternteil, ist die bevollmächtigte Person nicht wirksam benannt (vgl. §§ 1776, 1777 Abs. 3 BGB), ihre Auswahl entspricht aber in der Regel dem mutmaßlichen Willen des Elternteils (vgl. § 1779 Abs. 2 BGB).
2. Entgegenstehende Interessen des Kindes im Sinne des § 1680 Abs. 2 BGB liegen nicht erst vor, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls durch den Sorgerechtsübergang festzustellen ist. Sie sind bereits gegeben, wenn sich ein fünfzehnjähriges Kind nachhaltig, klar und konsistent aus nachvollziehbaren Gründen gegen eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den überlebenden Elternteil ausspricht.
3. Sind Pflegepersonen als Vormund geeignet, gebührt ihnen der Vorrang bei der Auswahl des Vormunds.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Übertragung des Sorgerechts für seine Tochter auf den Vater nach dem Tod der Mutter.
Der Beschwerdeführer ist der Vater (im Folgenden: Vater) der im vorliegenden Verfahren betroffenen Beteiligten zu 1. (im Folgenden: Jugendliche), die in knapp fünf Monaten ihr 16. Lebensjahr vollenden wird.
Die Mutter der Jugendlichen übte bis zu ihrem Tod am ... 2021 das Sorgerecht aufgrund Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 2. Dezember 2015 (Az.: 6 UF 84/15) allein aus. Einen Antrag auf Abänderung dieser Entscheidung und Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Eltern gemeinsam hat das Amtsgericht Dieburg mit Beschluss vom 9. Juni 2021 (Az.: 54 F 723/20 SO) unter Hinweis auf eine mangelnde Vertrauensbasis sowie mangelnden Austausch und Kommunikation der Eltern abgelehnt.
Die Jugendliche wurde bis zu deren Tod von ihrer Mutter betreut und versorgt, zuletzt im Haushalt der Großeltern mütterlicherseits aufgrund der Erkrankung der Mutter. Der Vater der Jugendlichen ist Angehöriger der Streitkräfte der..., hat aber seinen Wohnsitz in Deutschland, im vom Wohnort der Großeltern ca. 190 km entfernten Y. Die Jugendliche hat regelmäßig wöchentlich samstags Umgang mit ihrem Vater, der vor Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung verschiedentlich ausgefallen ist.
Nachdem die Mutter der Jugendlichen am ... 2021 verstarb, haben die Beteiligten zu 4. und 5. (im Folgenden: Großeltern mütterlicherseits) beantragt, sie als Vormund für ... zu bestellen. Dabei beriefen sie sich u.a. auf eine mit Unterschriftsbeglaubigung durch das Ortsgericht versehene und zu den Akten gereichte Vollmacht der Mutter der Jugendlichen, in der sie ermächtigt wurden, das alleinige Sorgerecht für die Jugendliche auszuüben, sofern die Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollte.
Nach Anhörung der Jugendlichen, des Vaters und der Großeltern mütterlicherseits, für deren Ergebnis auf den Vermerk vom 2. Dezember 2021 und die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 10. Dezember 2021 verwiesen wird, ordnete das Amtsgericht für die betroffene Jugendliche die Vormundschaft an und bestellte die Großeltern mütterlicherseits zum Vormund. Die elterliche Sorge sei vorliegend nicht auf den Vater zu übertragen, weil dies dem Kindeswohl widerspreche. Die Jugendliche habe sich deutlich und wiederholt gegen eine Übertragung der Sorge auf den Vater ausgesprochen und wünsche sich ausdrücklich eine Vormundschaft der Großeltern mütterlicherseits. Sie wünsche sich, dass sich so wenig wie möglich ändert, und beruft sich auf den Wunsch der Mutter. Sie wolle im gewohnten Umfeld bei ihren Großeltern bleiben und befürchte bei einer Ausübung der Sorge durch den Vater Komplikationen. Außerdem wohne der Vater zwei Stunden vom Wohnort der Jugendlichen entfernt und sei bisher nicht in den Alltag integriert gewesen. Dies führe bei Ausübung der Sorge durch den Vater zu einem hohen Bedarf an Absprachen zwischen ihm und den Großeltern. Angesichts bestehender Sprachbarrieren sei zu befürchten, dass die Jugendliche für Übersetzungen oder Erklärungen benötigt werde, was eine unzumutbare Belastung darstelle. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass immer sonstige Personen dafür zur Verfügung stehen würden. Auch die Bereitschaft des Vaters, Deutsch zu lernen, ändere daran nichts, weil dies ein langwieriger Prozess sein werde. Der Wunsch des Vaters, Verantwortung für ... zu übernehmen und den Kontakt zu intensivieren, sei nachvollziehbar, könne aber nicht gegen den Willen der Jugendlichen durchgesetzt werden. Außerdem stehe eine Vormundschaft der Großeltern diesem Wunsch nicht entgegen. Darüber hinaus verweist das Amtsgericht darauf, dass die Jugendliche in zweieinhalb Jahren volljährig sein wird. Mangels Übertragung der Sorge auf den Vater sei eine Vormundschaft anzuordnen. Die Großeltern mütterlicherseits seien auszuwählen, weil sie zur Übernahme bereit seien und sich zuletzt um die Jugendliche gekümmert haben. Die Jugendliche habe bei ...