Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen des § 6 FamFG i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO im Rahmen eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung.
Ein Verstoß gegen die Wartepflicht rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit der Richterin/des Richters, wenn dies den Eindruck entstehen lässt, dass ihr/ihm das Ablehnungsgesuch egal und nicht zu berücksichtigen sei.
Die Mitwirkung einer erfolgreich abgelehnten Gerichtsperson führt - bei entsprechendem Antrag eines Beteiligten - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.
Normenkette
FamFG §§ 6, 69 Abs. 1 S. 3, § 72 Abs. 3, § 155; ZPO §§ 42, 47 Abs. 1, § 547
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 464 F 10144/21 EASO) |
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss und das Verfahren werden aufgehoben und - auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Gerichts erster Instanz zurückverwiesen.
II. Der Beschwerdewert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kindesmutter und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Kindesmutter) wendet sich gegen einen im Wege einstweiliger Anordnung erfolgten Teilsorgerechtsentzug.
Die Kindeseltern waren für ihre Tochter T gemeinsam sorgeberechtigt. Sie leben seit dem 6. Lebensmonat des Kindes voneinander getrennt. Das Kind hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt der Kindesmutter. Der Kindesvater und Beschwerdegegner (im Folgenden: Kindesvater) befindet sich immer wieder - so auch aktuell - in Haft wegen Körperverletzungsdelikten, Drogenhandels etc.
T ist seit dem 10.06.2020 fremduntergebracht. An diesem Tag wurde sie durch das Jugendamt in Obhut genommen, nachdem die Kindesmutter T über das vorangegangene Wochenende von einer ihr erst seit kurzem bekannten Frau hatte betreuen lassen und in der Kinderschutzambulanz der Uniklinik ... erhebliche Verletzungen (blaue Flecken um die Handgelenke, an der Schulter, an den Hüftknochen und im unteren Rückenbereich sowie multiple Hämatome am Po und der Wange, ein Riss hinter dem Ohr und eine Schleimhautwunde an der Lippe) und ein mangelnder Hygienezustand (verfilzte Haare, unangenehmer Geruch und schmutzige Haut) sowie (Kontakt-) Spuren von Kokain, Heroin und Methadon nachgewiesen worden waren.
Das Amtsgericht leitete aufgrund der Meldung des Jugendamtes vom 16.06.2020 über die Inobhutnahme des Kindes ein Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge ein (Az. 464 F 10129/20 SO). Im anschließenden Termin vom 17.08.2020 erklärten sich beide Eltern mit der weiteren Unterbringung des Kindes in der Bereitschaftspflegefamilie einverstanden, die Kindesmutter jedoch in der ausdrücklich geäußerten Erwartung, dass zeitnah ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit eingeholt und erstattet wird. Der dahingehende Beweisbeschluss erging unter dem 08.09.2020 (Bl. 144 d. A. 464 F 10129/20 SO.).
Nachdem die Kindesmutter mit anwaltlichem Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10.12.2020 erneut der Inobhutnahme widersprochen und die Herausgabe des Kindes verlangt hatte, wurde beiden Eltern durch einstweilige Anordnung vom 11.12.2020 im Verfahren 464 F 10252/20 EASO das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Im Termin vom 08.02.2021 in diesem Verfahren erklärten die Kindeseltern ihre Zustimmung, das Kind bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Vollzeitpflege zu geben. Die einstweilige Anordnung vom 11.12.2020 wurde daraufhin aufgehoben.
Die Erstattung des Sachverständigengutachtens im Hauptsacheverfahren erfolgte mit Datum vom 31.05.2021. Hinsichtlich der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 250-290 d. A. 464 F 10129/20 SO Bezug genommen. Demzufolge sei die Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt, aber grundsätzlich erziehungskompetent, und der Vater sei nicht erziehungsfähig. Die Kindesmutter habe eine Psychotherapie aufgenommen und stelle sich aktiv ihren Problemen, sei aber noch am Anfang. Eine Fremdunterbringung sei derzeit - bis sich die Kindesmutter weiter stabilisiert habe - angezeigt.
Die Kindesmutter erhob Einwendungen gegen das Gutachten, die sie mittels Vorlage einer 7-seitigen Stellungnahme der Integrativen Drogenhilfe e. V., Nachweisen über die Fortführung der begonnenen Psychotherapie sowie über die regelmäßige Wahrnehmung von Beratungsterminen untermauerte (Bl. 320-328 d. A 464 F 10129/20 SO.); zudem benannte sie Zeugen. Die Kindesmutter widerrief erneut gegenüber dem Jugendamt sowie zur Verfahrensakte (am 16.7.2021, Bl. 317 d. A. 464 F 10129/20 SO) ihr Einverständnis mit einer Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie.
Das Amtsgericht nahm dies zum Anlass, am 20.07.2021 das vorliegende Eilverfahren zur elterlichen Sorge einzuleiten. In diesem Verfahren unternahm die Richterin mit Ausnahme der Bestellung eines Verfahrensbeistandes am 06.08.2021 (Bl. 14/14 RS) keinerlei verfahrensfördernde Maßnahmen. Die Verfahrensbeiständin sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 04.08.2021 dafür aus, die Fremdunterbringung aufrecht zu e...