Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsbeschwerdegericht ist zur selbständigen Auslegung von Bestimmungen der Teilungserklärung befugt. Die Auslegung hat nach Wortlaut und Sinn der Erklärung so zu erfolgen, wie sie sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt.
2. Die Wohnungseigentümer können einen Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 3 WEG nur dann auf eine öffentlich-rechtliche Vorschrift stützen, wenn diese drittschützende Wirkung hat.
3. Eine Bestimmung in der Teilungserklärung, wonach die Wohnungen nur zu Wohnzwecken und/oder zur Ausübung eines freiberuflichen Dienstleistungsbetriebes oder eines Gewerbes ohne Geräuschentwicklung benutzt werden dürfen, erlaubt bei der gebührenden typisierenden Betrachtungsweise auch den Betrieb einer Media-Agentur.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 1, §§ 13, 15 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 11.03.2003; Aktenzeichen 4 T 621/02) |
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 61 UR II 103/02) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller und die Antragsgegner bilden die Eigentümergemeinschaft X in O1.
Die Gemeinschaftsordnung, die Bestandteil der Teilungserklärung vom 25.3.1993 (Bl. 15-30 d.A.) ist, enthält in § 5 Abs. 2 die Regelung, dass die Wohnungen nur zu Wohnzwecken und/oder zur Ausübung eines freiberuflichen Dienstleistungsbetriebes oder eines Gewerbes ohne Geräuschentwicklung benutzt werden dürfen (Bl. 19 d.A.).
Die Antragsteller betreiben zusammen in den Räumlichkeiten ihrer Sondereigentumseinheit Nr. ... eine ...-Agentur in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Sie sind spezialisiert auf das Design von Internetauftritten und die Erstellung von Datenbankanbindungen und e-commerce-Lösungen. Sie entwickeln insb. Konzeptionen im Bereich des Webdesigning sowie Homepages und Websites. Gegenüber Kunden werben sie auf ihrer Homepage mit Parkmöglichkeiten im Hof der Liegenschaft.
Zu TOP 13.1 fasste die Gemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 20.6.2002 u.a. mehrheitlich einen Beschluss mit dem Wortlaut (Bl. 13 d.A.):
"Die Eigentümer fordern die Unterlassung des Gewerbebetriebes in der Einheit 1 von Herrn A und Frau B. Die Hausverwaltung wird beauftragt, in der Sache alles Erforderliche bis zur Anhängigkeit bei Gericht zu unternehmen."
Unter anderem diesen Beschluss haben die Antragsteller angefochten und ihren Antrag darauf gestützt, dass § 5 Abs. 2 der Teilungserklärung so zu verstehen sei, dass eine freiberufliche Nutzung der Einheit unbeschränkt zulässig sei und eine gewerbliche Nutzung dann, wenn keine höhere Geräuschentwicklung als bei einer Wohnnutzung oder freiberuflichen Nutzung auftrete.
Die Antragsteller haben vorgetragen, die von ihnen ausgeübte Tätigkeit sei mit der eines Grafikdesigners, eines Fotografen, eines Regisseurs oder Filmherstellers vergleichbar, weshalb es sich um eine freiberufliche Tätigkeit handele. Entsprechend würden ihre Einkünfte auch versteuert. Ihre Tätigkeit sei nicht mit Geräuschentwicklung verbunden, da im wesentlichen mit Computern gearbeitet werde und Kundenkontakte überwiegend telefonisch oder per E-Mail bzw. in Außenterminen erfolgten. Nur in Ausnahmefällen würden Kunden in den Räumen der Agentur empfangen, in 2002 sei dies nur an drei Terminen geschehen. Ihre 6 freien Mitarbeiter arbeiteten nur projektbezogen und hielten sich nur phasenweise und nicht notwendig alle zur gleichen Zeit in den Räumen auf.
Ein Unterlassungsanspruch sei mangels drittschützender Wirkung auch nicht aus der Hessischen Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum herzuleiten.
Die Antragsgegner sind der Anfechtung entgegengetreten und haben die Auffassung vertreten, der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung sei berechtigt, da die Antragsteller zur Unterlassung verpflichtet seien.
Die Regelung in § 5 Abs. 2 der Teilungserklärung sei so auszulegen, dass die Voraussetzung "ohne Geräuschentwicklung" sowohl für eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit in den Räumen des Sondereigentums gelte. Die Tätigkeit der Antragsteller sei gewerblich, da sie auch den Handel mit einem Software-Produkt umfasse. Vergleichsmaßstab für die Zulässigkeit des Gebrauchs des Sondereigentums sei eine Wohnnutzung. Die von der Nutzung durch die Antragsteller ausgehende Belastung überschreite aber die durch eine typische Wohnnutzung verursachte bei weitem. So werde schon ab 7.30 Uhr und länger als 18.00 Uhr und auch sonntags in den Räumen der Antragsteller gearbeitet, Türen würden geschlagen und es herrsche ein ständiges Kommen und Gehen von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten. Täglich würden im Schnitt 3 Autos von Kunden bzw. Lieferanten der Antragsteller im Hof parken. Da sämtliche Mitarbeiter der Antragsteller auch über Schlüssel verfügten, bestehe auch ein erhebliches Si...