Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen von der Bestellung eines Rechtsanwalts als Mitvormund für die Betreuung eines Kindes in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten
Normenkette
BGB §§ 1674, 1775 S. 2, § 1797 Abs. 2; SGB 8 § 42 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 21.03.2014; Aktenzeichen 241 F 352/14) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Auslagen nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das im Rubrum genannte minderjährige Kind, dessen Vater verstorben ist und zu dessen Mutter, die in Eritrea lebt, er keinen Kontakt mehr hat, reiste am 20.9.2013 ohne Begleitung seiner Eltern oder sonstiger Vertretungsberechtigter in das Bundesgebiet ein und wurde in der Folgezeit am 24.9.2013 vom Jugendamt der Stadt O1 gem. § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut genommen.
Mit Schreiben vom 25.9.2013 regte das Jugendamt bei dem Familiengericht an, das Ruhen der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB festzustellen, da die Eltern des Minderjährigen seit der Flucht aus seiner Heimat die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben könnten bzw. an deren Ausübung verhindert seien. Gleichzeitig regte das Jugendamt seine Bestellung als "vorläufigen Pfleger" für den Bereich der Personensorge an und darüber hinaus die Einrichtung einer Mitvormundschaft gem. § 1797 Abs. 2 BGB mit dem Wirkungskreis asyl- und ausländerrechtliche Angelegenheiten, da dem Jugendamt insoweit die erforderliche Sachkunde fehle. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben des Jugendamts vom 25.9.2013.
Mit Beschluss vom 19.2.2014 (241 F 117/14 SO) stellte der Rechtspfleger des AG Gießen das Ruhen der elterlichen Sorge fest.
Mit Beschluss vom 21.3.2014 wurde dem Kind ein Verfahrensbeistand bestellt.
Nach persönlicher Anhörung des Minderjährigen ordnete das AG mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.3.2014 Vormundschaft über den Minderjährigen an und bestellte das Jugendamt der Stadt O1 zum Vormund. Die Anordnung einer Mitvormundschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung des Minderjährigen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten lehnte es ab.
Besondere Gründe, die ausnahmsweise die Bestellung eines Mitvormundes rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Auch im Lichte der neuen europarechtlichen Verordnungslage sei die Bestellung eines Mitvormundes nicht angezeigt. Das Jugendamt sei selbst in der Lage, den Jugendlichen zu vertreten bzw. müsse sich in die Lage versetzen oder einen Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragen. Wegen der weiter gehenden Begründung wird auf die Entscheidung des AG verwiesen.
Gegen die der Verfahrensbeiständin am 27.3.2014 zugestellte Entscheidung legte diese mit Schreiben vom 2.4.2014, eingegangen beim AG am 2.4.2014, Beschwerde ein.
Sie macht geltend, das Absehen von der Anordnung einer Mitvormundschaft für den Wirkungskreis der Vertretung des Jugendlichen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten widerspreche europäischem Recht, insbesondere der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (sog. Dublin-III-VO) vom 26.6.2013. Diese sei so auszulegen, dass der dem Jugendlichen zur Seite zu stellende Vertreter persönlich über die erforderliche Sachkunde verfügen müsse. Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird Bezug genommen auf das Schreiben der Verfahrensbeiständin vom 2.4.2014.
II. Die eingelegte Beschwerde ist gem. §§ 58 ff., 158 Abs. 4 Satz 5 FamFG zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben.
In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
Das AG hat nach Bestellung des Jugendamtes zum Amtsvormund gem. § 1791b BGB zu Recht von der Bestellung eines Mitvormundes in Person eines Rechtsanwaltes für die Betreuung des Kindes in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten abgesehen.
Nach § 1775 S. 2 BGB soll das Familiengericht im Regelfall nur einen Vormund für das Mündel bestellen. Mehrere Vormünder sollen nur dann bestellt werden, wenn besondere Gründe dies erfordern. Solche Gründe liegen nach Auffassung des Senates nicht vor.
Zwar hat das Jugendamt als Amtsvormund im hiesigen Verfahren mitgeteilt, dass bei ihm weder fachlich in dieser Hinsicht qualifizierte Mitarbeiter vorhanden seien, noch - wegen des großen Arbeitsaufwandes, den die Führung einer Amtsvormundschaft erfordere, sowie der gleichzeitigen Führung einer Vielzahl von Amtsvormundschaften - die notwendige Zeit zur Vertretung und Einarbeitung in die asyl- und ausländerrechtliche Problematik aufgebracht werden könne.
Dies rechtfertigt jedoch die Bestellung eines Mitvormundes nicht. Das Fehlen zeitlicher Ressourcen ist durch behördeninterne Personalausstattung zu lösen und kann kein besonderer Grund für die Bestellung eines Mitvormundes i.S.d. § 1775 S. 2 BGB sein.
Auch der Umstand, dass das Jugendamt der Auffassung ist, den Amtsvormündern fehle für bestimmte Aufgaben die (juristische) Sachkunde, ist nicht geeignet, die Bestellung mehrerer Vormünder zu rechtfertigen (Senat vom 2.12.2013 FamRZ 2014, 673). Bei der Vielfältigkeit der Aufgabenste...