Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsvollstreckung: Organisationsverschulden und Ordnungsgeldhöhe; Kostenentscheidung bei Mindestordnungsgeld
Leitsatz (amtlich)
1. Trifft der Schuldner nicht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen, um Zuwiderhandlungen durch Angestellte und Beauftragte zu verhindern, trifft ihn ein eigenes Organisationsverschulden hinsichtlich Verstößen, die durch derartige Maßnahmen verhindert worden wären.
2. Zur Bemessung der Ordnungsgeldhöhe.
3. Unterschreitet das verhängte Ordnungsgeld eine vom Gläubiger verlangte Mindeshöhe, ist dem Gläubiger unter teilweiser Zurückweisung des Vollstreckungsantrages ein Teil der Kosten des Vollstreckungsverfahrens aufzuerlegen.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 01.04.2015; Aktenzeichen 3-11 O 22/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Unter Abänderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses werden die Kosten des erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahrens zu 2/3 der Antragsgegnerin und zu 1/3 der Antragstellerin auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Beschwerdewert: 20.000 EUR
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist mit rechtskräftigem Urteil des LG Frankfurt vom 21.1.2011 verurteilt worden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bestimmte, im Tenor im einzelnen aufgeführte ...-Artikel anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder sonst in den Verkehr zu bringen (Az. 3-11 O 22/09). Das Urteil ist der Antragsgegnerin am 25.1.2011 zugestellt worden.
Das LG hat gegen die Antragsgegnerin wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Urteil vom 21.1.2011 ausgesprochene Verbot mit Beschluss vom 1.4.2015 ein Ordnungsgeld i.H.v. EUR 20.000 verhängt. Die Antragsgegnerin habe durch die Bewerbung von "A"...-Artikeln in ihrem Katalog Nr. X, der auch im Internet abrufbar war, gegen das Verbot schuldhaft verstoßen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 1.4.2015 - 3-11 O 22/09 - aufzuheben, soweit zum Nachteil der Schuldnerin erkannt wurde, und die Anträge der Gläubigerin auf Verhängung von Ordnungsgeldern insgesamt kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
II. Die zulässige Beschwerde hat - abgesehen von der Entscheidung über die Kosten - keinen Erfolg.
1. Die Antragsgegnerin wird in dem Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß vertreten. Auf die Rüge der Antragstellerin hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 19.5.2015 eine wirksame Vollmacht im Original vorgelegt.
2. Die Antragsgegnerin hat gegen das gerichtliche Verbot verstoßen. Unstreitig bewarb sie in ihrem deutschsprachigen Katalog Nr. X (20xx-20xx) auf S ... "A ...", das den im Urteilstenor zu II.1. a) - h) aufgeführten Artikeln entspricht (Anlage AS8, Bl. 773 d.A.). Der Katalog wurde in Printform an deutsche Vertriebspartner versandt. Außerdem stand er auf der Internetseite der Antragsgegnerin zum Download bereit (Anlage AS9, Bl. 775 d.A.).
3. Der Verstoß erfolgte schuldhaft. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin darauf, die von ihr beauftragte Katalogherstellerin habe die Produkte entgegen ihrer Weisung (auch) in den deutschsprachigen Katalog aufgenommen. Für die Vollstreckung nach § 890 ZPO kommt es zwar allein auf das Verschulden des Schuldners an. Eine Zurechnung des Verhaltens seiner Erfüllungsgehilfen nicht statt (BGH GRUR 2014, 909 Rz. 11 - Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich). Ein eigenes Verschulden kann sich jedoch aus Mängeln bei Auswahl und Überwachung der Erfüllungsgehilfen ergeben. Der Schuldner muss alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen durch Angestellte und Beauftragte zu verhindern. Im Streitfall wäre es zumutbar und erforderlich gewesen, vor Erscheinen die Druckvorlage des Katalogs erneut daraufhin zu überprüfen, ob die dem Verbot entsprechenden Artikel tatsächlich entfernt wurden. Keine ausreichende Maßnahme stellt das "Erratum" der Antragsgegnerin dar (Anlage AG3). Darin findet sich unter der Überschrift "wird in Deutschland nicht vermarktet" eine durchgestrichene Version der Katalogseite ... Dieses Dokument schickte die Antragsgegnerin nachträglich an alle Empfänger des Printkatalogs. Der Hinweis ist inhaltlich ungeeignet, um dem gerichtlichen Verbot der "Bewerbung" der Artikel Rechnung zu tragen. Für den Empfänger ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den Artikeln um Nachahmungen fremder Produkte handelt. Es liegt aufgrund des Hinweises vielmehr nahe, sich die Produkte über ausländische Anbieter zu besorgen. Das Erratum ist außerdem deshalb nicht ausreichend, weil der Katalog auch von Personen, die nicht zum Vertriebsnetz der Antragsgegnerin gehören, über deren deutschsprachige Interseite per Download bezogen werden konnte. Ausweislich der Anlage AS9 war der Katalog hier noch am 1...