Leitsatz (amtlich)
Das Entstehen der Terminsgebühr setzt nicht voraus, dass ein förmlicher Aufruf erfolgt ist.
Bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer ist eine einstündige (Mittags)Pause auch dann abzuziehen, wenn der Verteidiger sie für die Erstellung eines Befangenheitsantrages genutzt hat.
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 04.05.2015) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Günal wird der Beschluss des Landgerichts Kassel vom 04. Mai 2015 mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Beschwerdeführer für den Hauptverhandlungstag am 28. Juli 2014 die Gebühr nach 4121 VV-RVG zu zahlen ist.
- Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
- Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Beschwerdeführer ist Pflichtverteidiger, des in der Haft befindlichen Angeklagten B. in einem Strafverfahren vor dem Landgericht Kassel.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts Kassel hatte mit Verfügung vom 22.01.2015 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für den Verteidiger des Angeklagten B. auf 13.463,66 EUR festgesetzt und dabei die Terminsgebühr für den 28.07.2014 abgesetzt und eine mehr als einstündige Pause am 04.08.2014 abgezogen. Hiergegen hatte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.01.2015 Erinnerung eingelegt, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hatte. Mit Beschluss vom 04.05.2015 hat der Vorsitzende Richter als Einzelrichter die Erinnerung zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Terminsgebühr am 28.07.2014 festzusetzen ist, weil an diesem Tag eine Hauptverhandlung im Sinne des § 243 StPO stattgefunden hat. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass die Hauptverhandlung von 9:02 Uhr bis 9:20 Uhr stattgefunden habe.
Bei dem Hauptverhandlungstermin am 04.08.2014 hätte die Pause nicht abgezogen werden dürfen, weil er diese Pause, in der die Hauptverhandlung unterbrochen war, dafür genutzt habe, einen Befangenheitsantrag zu fertigen.
Das Landgericht Kassel hat die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen.
II.
Die Beschwerde gern. §§ 56, 33 RVG hat hinsichtlich der abgesetzten Hauptverhandlungsterminsgebühr vom 28.07.2014 Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Landgericht Kassel hat völlig zutreffend darauf abgestellt, dass die Terminsgebühr nur dann anfällt, wenn am 28.07.2014 ein Verhandlungstermin (Hauptverhandlungstag im Sinne der Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 4121 VV-RVG) stattgefunden hat. Der Beschwerdeführer hatte vorliegend unmittelbar vor Aufruf der Sache zum ersten Hauptverhandlungstag am 28.07.2014 ein schriftliches Befangenheitsgesuch eingereicht. Das für den Sitzungstag gefertigte Protokoll das vom Vorsitzenden und der Protokollführerin unterschrieben ist, weist eine Verhandlung vom 9:02 Uhr bis 9:20 Uhr auf. In dem Protokoll ist die komplette Anwesenheit der Richterbank inklusive der Schöffen vermerkt. Ein formaler Aufruf zur Sache ist nicht notiert. Ebenso sind die weiteren Anwesenden nicht vermerkt. Weiter ist festgehalten, dass der Vorsitzende sodann mitteilte, dass aufgrund des Ablehnungsantrages am heutigen Tag die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden könne und der nächste Termin zur Hauptverhandlung wie bereits bestimmt am Donnerstag, den 31.07.2014 stattfinden werde.
Das Protokoll belegt damit, dass eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Dass vorliegend nicht förmlich aufgerufen wurde und auch die Anwesenheit nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist, ist insoweit unschädlich. Ein förmlicher Aufruf zur Sache ist ebenso wie die Präsenzfeststellung, keine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner § 243 Rdnr. 4 am Ende und Rdnr. 5).
Ob verhandelt werden soll, ergibt sich durch das äußere Erscheinungsbild, bei dem die Beteiligten als erstes erkennen können, dass zur Sache verhandelt werden soll. Dies ergibt sich vorliegend dadurch, dass die komplette Kammer inklusive Schöffen als anwesend im Protokoll vermerkt worden sind und zumindest über die bloße Entgegennahme des Ablehnungsantrages auch eine Einlassung oder eine Erklärung des Beschwerdeführers zum Ablehnungsantrag vermerkt worden ist. Entscheidend ist darüber hinaus, dass nicht die Kammer nach § 228 StPO die Hauptverhandlung abgesetzt und am nächsten geplanten Sitzungstag neu begonnen hat, sondern der Vorsitzende die (weitere) Verhandlung lediglich (auf Grund des Befangenheitsantrags) auf den nächsten Sitzungstag verlegt hat.
Damit ist kostenrechtlich ein Sitzungstag angefallen, so dass die Hauptverhandlungsgebühr vom Pflichtverteidiger im Ergebnis zu Recht in Ansatz gebracht worden ist.
Die Berechnung der Terminsgebühr am 04.08.2014 ist zutreffend. Die Hauptverhandlung dauerte ausweislich des Protokolls am 04.08.2014 von 9:11 Uhr bis 17:05 Uhr. Die Verhandlung war u. a von 13:16 Uhr bis 14:31 Uhr für mehr als eine Stunde unterbrochen. Während dieser Zeit musste der Verteidiger auch nicht damit rechnen, dass die Hauptverhandlung vom Gericht wieder aufge...