Leitsatz (amtlich)
Überlässt ein Angeklagter der er in seinem Geschäftsbetrieb die Führung aller Termine seiner insoweit bisher sorgfältigen Ehefrau übertragen hat, auch die Notierung des Termins zur Berufungshauptverhandlung, so muss er weder damit rechnen, dass sie den Sitzungstag falsch notiert noch muss er sich über die korrekte Eintragung vergewissern.
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 13. 7. 2000 gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zu Last.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafkammer dem Angeklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung versagt. Die dagegen gerichtete, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Das Wiedereinsetzungsgesuch ist innerhalb der Frist des § 329 III StPO gestellt worden und begründet. Denn es legt entgegen der Ansicht der Kammer hinreichend dar, daß den Angeklagten an der Versäumung der Berufungshauptverhandlung kein Verschulden trifft. Die Sachdarstellung ist zulässiger Weise im Beschwerdeverfahren auch glaubhaft gemacht worden.
Der Angeklagte durfte darauf vertrauen, daß seine Ehefrau den Termin aus der ihr übergebenen Terminsladung richtig (auf den 14. 7. 2000) und nicht wie geschehen falsch (auf den 19. 7. 2000) in den Terminskalender überträgt. Inwieweit ein Verfahrensbeteiligter einem Dritten die Besorgung prozessualer Angelegenheiten wie hier die Notierung des Hauptverhandlungstermin im Kalender und damit die Gewährleistung, daß an diesen rechtzeitig erinnert und dieser zuverlässig Wahrgenommen wird vertrauensvoll überlassen kann und in weichem Umfange er den Beauftragten kontrollieren muß, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es trifft ihn bei Versäumnissen und Fehlern des Beauftragten dann kein Verschulden, wenn er bei dessen Auswahl und Überwachung die Sorgfalt aufgewandt hat, die verständiger Weise von ihm erwartet und ihm zugemutet werden kann (vgl. OLG Zweibrücken, StV 1992, 360 m. z. w. Nachw. für den Fall der Beauftragung mit der Rechtsmitteleinlegung). Steht der Beauftragte zum Auftraggeber in einem engen und dauerhaften Verhältnis, das ein gegenseitig erprobtes Vertrauen begründet Wie das der Ehe und fehlen Anhaltspunkte, aus denen sich ausnahmsweise eine Unzuverlässigkeit des Ehegatten bei der Wahrnehmung wichtiger Angelegenheiten ergeben, so ist der Auswahlsorgfalt in aller Regel genügt und reduziert sich auch die Überwachungssorqfalt (vgl. OLG Zweibrückern a. a. O. ; BGH, NStZ 1996, 50; s. auch OLG Düsseldorf, NStZ 1992, 99). Jedenfalls, wenn wie hier die Ehefrau im Betrieb ihres auftraggebenden Ehemanns tätig ist, es zu ihren dortigen Aufgaben gehört, die Termine zu notieren und sie diese Tätigkeit bisher sorgsam ausgeübt hat, muß der Auftraggeber nicht damit rechnen, daß sie Termine zumal wichtige wie Gerichtstermine falsch notiert (vql. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 44 Rdnr. 14 m. H. a. OLG Düsseldorf (a. a. 0. allerdings nicht auffindbar)). Er ist deshalb auch zu einer weiteren Überwachung, insbesondere entgegen der Ansicht der Kammer zu einer nochmaligen Nachfrage, ob der Termin korrekt notiert wurde, nicht gehalten.
Der Sachverhalt, der die Annahme der schuldlosen Säumnis begründet, ist durch die nunmehr vorliegende eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Angeklagten ausreichend glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 VIl StPO und einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 I, 473 III StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2573613 |
NJW 2001, 1589 |
NStZ-RR 2001, 85 |
www.judicialis.de 2000 |