Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Vollstreckungsgegenklage nach Verurteilung zur Unterlassung irreführender Wirksamkeitsbehauptungen für eine medizinische Behandlung
Leitsatz (amtlich)
Nach einer rechtskräftigen Verurteilung zur Unterlassung bestimmter Werbeaussagen für eine medizinische Behandlungsmethode (hier: Kernspinresonanztherapie), die mangels Wirksamkeitsnachweis als irreführend eingestuft worden sind, kann eine Vollstreckungsgegenklage zwar grundsätzlich darauf gestützt werden, dass die Wirksamkeit nunmehr nicht mehr fachlich umstritten sei. Hierzu bedarf es jedoch für jedes in Rede stehende Krankheitsbild substantiierten Vortrags hinsichtlich der neuen, nach dem Urteil gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse (im Streitfall verneint).
Normenkette
HWG § 3; UWG § 3a; ZPO § 767
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.02.2019; Aktenzeichen 2-06 O 323/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.2.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 44.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einem vom Beklagten erwirkten rechtskräftigen Unterlassungstitel.
Die Klägerin ist Herstellerin von medizinischen Geräten für die "...-Kernspinresonanztherapie". Sie hat diese Geräte am 3.11.2009 auf ihrer Internetseite beworben. Der Beklagte ist der A e.V. Er hat die angegriffenen Werbeaussagen als irreführend beanstandet und die Klägerin auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 18.8.2010, Az. .../10 ist die Klägerin verurteilt worden, es zu unterlassen, mit verschiedenen Aussagen für die "... Kernspin-Resonanz-Therapie" zu werben. Das Verbot war auf § 3 Nr. 1 HWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 I UWG a.F. gestützt. Das OLG Frankfurt hat die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 26.10.2011 zurückgewiesen.
Mit ihrer im August 2018 eingereichten Vollstreckungsabwehrklage macht die Klägerin geltend, der Beklagte sei nicht mehr nach § 8 III Nr. 2 UWG aktiv legitimiert. Zudem sei zwischenzeitlich erwiesen, dass die untersagten Werbebehauptungen der Wahrheit entsprechen. Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Klägerin.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main - Az. 2-06 O 323/18 - vom 20.2.2019 wie folgt zu entscheiden:
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.8.2010 - Az. .../10 - wird für unzulässig erklärt;
2. Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des unter Ziff. 1. genannten Urteils an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erwarten, dass die mündliche Verhandlung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts führen kann.
1. Der Senat hat die Klägerin bereits durch Beschluss vom 2.9.2019 darauf hingewiesen, warum er beabsichtigt, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Er hat ausgeführt:
"(2.) Nach § 767 I ZPO kann der Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel für unzulässig erklären lassen, wenn dem Titel Einwendungen entgegenstehen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen. Voraussetzung ist, dass es sich um neu entstandene Einwendungen gegen den titulierten Anspruch handelt (§ 767 II ZPO). Die Richtigkeit des Urteils selbst kann nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage überprüft werden (vgl. BGHZ 151, 316, 326).
a) Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören Gesetzesänderungen und Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn Unterlassungstitel sind nicht lediglich auf eine einmalige Leistung gerichtet, sondern wirken in die Zukunft. Das Festhalten des Unterlassungsschuldners an einem gegen ihn erwirkten Verbot erscheint nicht zumutbar, wenn das untersagte Verhalten künftig zweifelsfrei als rechtmäßig zu beurteilen ist. Da er die Unterlassungspflicht auch in...