Leitsatz (amtlich)
Eine Genehmigung der vom Betreuer ausgesprochenen Wohnraumraumkündigung kommt in Anbetracht des hochrangigen Schutzes der Wohnung erst dann in Betracht, wenn eine Rückkehr in die eigene Wohnung ausgeschlossen erscheint. In Zweifelsfällen bedarf es immer der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das sich insb. mit der Rückkehrprognose befasst. Regelmäßig ist der Betroffene auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erneut persönlich anzuhören.
Normenkette
BGB § 1907 Abs. 1; FGG § 12
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 01.04.2005; Aktenzeichen 3 T 20/05) |
AG Kassel (Aktenzeichen 780-XVII 384/00) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss LG Kassel vom 1.4.2005 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Beschwerde - an das LG Kassel zurückverwiesen.
Frau Rechtsanwältin B. wird als Verfahrenspflegerin auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde gem. § 67 Abs. 1 S. 1 FGG bestellt, da dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist.
Gründe
I. Der Betroffene, zwischenzeitlich 55 Jahre alt, leidet seit seiner Jugend an einer Zwangsneurose, die in den Jahren 1970 bis 1975 zu mehreren - auch langfristigen - Klinikaufenthalten führte, jedoch medikamentös nicht wirksam behandelt werden konnte. Seit 1978 lebt er in einer eigenen Wohnung; die derzeitige Wohnung in der ...-straße/01 bewohnt er seit 1988. Da der Betroffene nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten eigenständig zu regeln, erfolgte eine Einstufung in Pflegestufe 2 durch die Pflegekasse. Die häusliche Unterstützung wurde seit seinem Auszug aus dem elterlichen Haushalt durch unterschiedliche Pflegedienste durchgeführt. Seit dem Jahr 2000 verschlechterte sich seine Situation, da eine Zusammenarbeit des Betroffenen mit den eingesetzten Pflegediensten kaum noch gegeben war. In der Wohnung häufte sich Unrat an und der Betroffene war mangelhaft ernährt. Auf Anregung des Gesundheitsamtes wurde für den Betroffenen unter anderen für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Wohnungsangelegenheiten ein Betreuer bestellt. Von April bis Juni 2000 befand sich der Betroffene aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses in stationärer Behandlung; während seiner Abwesendheit veranlasste der damalige Betreuer das Aufräumen und Säubern der Wohnung. Nach Rückkehr in seine Wohnung im Juni 2000 und Wechsel des Betreuers, mehrten sich seit November 2000 die Hinweise der nunmehrigen Betreuerin, dass der Betroffene erhebliche Schwierigkeiten bei der Organisation seines Lebens, seiner Nahrungsaufnahme und der Gesundheitssorge habe. Die Eltern des Betroffenen, die ihm in der Vergangenheit große Unterstützung zuteil werden ließen, sind beide im Jahr 2001 verstorben.
Im Juli 2003 beantragte die Betreuerin die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen, da sie den Zustand der Wohnung als unbeschreiblich verwahrlost empfand und er eine dringende ärztliche Behandlung seines Auges nicht durchführte (Bl. 6f Bd. II d.A.). Die hierauf erfolgte Anhörung des Betroffenen in seiner Wohnung durch den zuständigen Richter (Bl. 11 ff. Bd. II d.A.) sowie das eingeholte Gutachten (Bl. 18 ff. Bd. II d.A.) ergaben, dass eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung, die eine Unterbringung rechtfertigen würden, nicht gegeben sei.
Im März 2004 beantragte die Betreuerin erneut die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen (Bl. 62 f. Bd. II d.A.), da sich die Schwierigkeiten mit den eingesetzten Pflegediensten häuften und der Verdacht des Absterbens des - seit langem - durchblutungsgestörten linken Fußes bestand. Nach Anhörung des Betroffenen und mündlich erstattetem Gutachten (Bl. 65 f. Bd. II d.A.) durch die beigezogene Ärztin des Gesundheitsamtes, erfolgte die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen bis 24.5.2004. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.
Mit Datum vom 21.4.2004 beantragte die Betreuerin die Genehmigung der Wohnungskündigung des Betroffenen (Bl. 121 Bd. II d.A.). Zur Begründung trug sie vor, dass ein Wechsel des Betroffenen von der geschlossenen Unterbringung in das C-Heim in O2 von ihr vorgesehen sei, dort sei die Betreuung des Betroffenen in weitaus besserem Umfang sichergestellt. Eine häusliche Pflege sei nicht realistisch, da sich gezeigt habe, dass es nach geraumer Zeit der häuslichen Versorgung mit jedem Pflegedienst Schwierigkeiten gebe.
Bereits vor Beendigung des Unterbringungszeitraums wurde der Betroffene aus der Klinik entlassen und befindet sich seither im C-Heim im Bereich "Enthospitalisierung". Der Betroffene fand sich - in der Hoffnung einer Rückkehr in den häuslichen Bereich nach ca. 9 Monaten - hierzu freiwillig bereit.
Nach Einrichtung einer Verfahrenspflegschaft, Bericht der Betreuungsbehörde (Bl. 165 ff. Bd. II d.A.), die einen weiteren Verbleib des Betroffenen in der Enthospitalisierungseinrichtung befürwortete, Stellungnahme der Heimeinrichtung (B. 173 ff. Bd. II d.A.), die zu dem Schluss gelangt, eine Überprüfung ob un...