Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenablehnung: Ausräumung eines möglicherweise berechtigten Misstrauens
Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn ein Verhalten oder eine Äußerung eines Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hat, kann dieser durch eine entsprechende Erläuterung, Klarstellung oder Entschuldigung ein ursprünglich berechtigtes Misstrauen ausräumen.
Normenkette
ZPO § 404a Abs. 3, § 406 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 23.05.2017; Aktenzeichen 7 O 956/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 23. Mai 2017 in Verbindung mit dem Beschluss vom 22. Juni 2017 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf EUR 12.020,40 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der zukünftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht der Beklagten. Er behauptet hierzu eine fehlerhafte ärztliche Behandlung durch den Beklagten zu 1 am ... April 2012.
Mit Beweisbeschluss vom 28. Mai 2015 (Bl. 146 ff. d. A.) ordnete das Landgericht an, dass über einzelne Behauptungen des Klägers und der Beklagten durch "Einholung eines Sachverständigengutachtens" Beweis erhoben werden soll. Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 (Bl. 155 f. d. A.) wurden Herr A und Herr B als Sachverständige bestellt.
Unter dem 4. November 2015 legte der Sachverständige A sein schriftliches Gutachten vor, das beim Landgericht am 5. Februar 2016 einging. Wegen des Inhalts wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 181 ff. d. A.) Bezug genommen.
Sodann legte unter dem 1. August 2016 der Sachverständige B sein schriftliches Gutachten vor, das beim Landgericht am 5. August 2016 einging. Wegen des Inhalts wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 213 ff. d. A.) verwiesen.
Innerhalb der den Parteien durch die Einzelrichterin mit Verfügung vom 9. August 2016 (Bl. 239 RS d. A.) gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten und sodann für die Beklagten zuletzt bis zum 7. Dezember 2016 verlängerten Frist lehnten die Beklagten sodann den Sachverständigen B mit Anwaltsschriftsatz vom 7. Dezember 2016 (Bl. 266 ff. d. A.) "wegen Besorgnis der Befangenheit" ab.
Zur Begründung führten die Beklagten u. a. aus, der Sachverständige habe sich auf die Seite der Klägerin geschlagen, indem er trotz des von ihm als streitig erkannten Sachverhalts seine Bewertung darauf gestützt habe, dass "die von der Probandin geschilderte Beschwerdesymptomatik im Sinne einer initial hochgradigen Einschränkung des Gesichtsfeldes nach rechts unmittelbar nach dem Mobilisationsmanöver an der Halswirbelsäule durch [den Beklagten zu 1] aufgetreten ist" (S. 20 des Gutachtens, Bl. 232 d. A.).
Während hierbei noch am ehesten nur zu vermuten sei, dass der Sachverständige eine Manipulation des Beklagten zu 1 an der Halswirbelsäule unterstelle, stelle er dies an anderer Stelle ausdrücklich fest: "[...] warum bei den von der Probandin geschilderten Beschwerden im Anschluss an die Manipulation der Halswirbelsäule[...]" (S. 21 des Gutachtens, Bl. 233 d. A.).
Dass der Sachverständige von einer manuellen Therapie ausgehe, zeige auch seine Forderung, dass "vor Beginn einer manuellen Therapie eine klinisch neurologische und bildgebende Diagnostik (hätte) erfolgen müssen" (S. 22 des Gutachtens).
Der Sachverständige gehe aber auch noch weiter, indem er feststelle, dass "die Probandin dies klar verständlich und sofort mitgeteilt hat" (S. 20 des Gutachtens).
Zwar habe die Klägerin sowohl im Verfahren als auch wohl im Untersuchungsgespräch mit dem Sachverständigen solche Behauptungen aufgestellt, die Beklagten hätten diese aber jeweils bestritten. Trotzdem unterstelle der Sachverständige allein aufgrund der Angaben der Klägerin, dass (1) der Beklagte zu 1 eine Manipulation an der Halswirbelsäule vorgenommen habe, dass (2) sich bei der Klägerin unmittelbar eine neurologische Symptomatik eingestellt und dass (3) der Beklagte zu 1 auf entsprechende Angaben der Klägerin nicht reagiert habe.
Damit entscheide der Sachverständige nicht nur über den der Bewertung zugrundezulegenden Sachverhalt, sondern nehme auch noch eine Qualifikation der angeblichen Äußerungen der Klägerin als "sofort, klar und verständlich" vor.
Diese Unterstellung der Behauptungen der Klägerin durch den Sachverständigen sei auch keineswegs unmaßgeblich für die Bewertung des Sachverständigen, da dieser genau hierauf einen Behandlungsfehlervorwurf stütze. Denn nach dem vom Sachverständigen behaupteten Sachverhalt "hätte hier zum einen eine ergänzende neurologisch orientierende Untersuchung erfolgen müssen und selbst bei beginnender Rückbildung schon innerhalb der Praxisräume wäre ein sofortiges notfallmäßiges Vorstellen in einer Schlaganfallspezialstation sprich Stroke Unit unabdingbar zu fordern gewesen" (S. 21 des Gutachtens).
Dass die Angaben der Klägerin zur Behandlungssituation bei leben...