Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsvorbehalt im gemeinschaftlichen Testament
Leitsatz (amtlich)
Setzen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament ihre beiden Kinder wechselsetig bindend zu gleichen Teilen als Erben ein und soll einschränkend der überlebende Ehegatte jedoch berechtigt sein, seine Verfügung in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter den gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen abzuändern, umfasst die eingeräumte Abänderungsbefugnis in der Regel auch die Berufung eines Kindes zum Alleinerben.
Normenkette
BGB §§ 133, 2271
Verfahrensgang
AG Fritzlar (Beschluss vom 02.10.2019) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Von der Mitteilung des erstinstanzlichen Aktenzeichens wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Fritzlar vom 2. Oktober 2019 abgeändert. Die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Alleinerbscheins erforderlichen Tatsachen werden festgestellt. Das Amtsgericht wird angewiesen, den beantragten Erbschein zu erteilen.
Die Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten erster Instanz. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 95.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am XX.XX.2019 verstorbene und zuletzt in Stadt1 wohnhafte Erblasserin war verheiratet. Aus der Ehe mit ihrem am XX.XX.2002 vorverstorbenen Ehemann gingen zwei Töchter hervor, die Beteiligten zu 1) und 2).
Am 18. Oktober 1994 errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches, notarielles Testament. Hierin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Schlusserben beriefen sie die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen. Ferner heißt es in § 4 des Testaments wörtlich:
"Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden. Nach dem Tode eines Teils von uns, soll der überlebende Teil aber berechtigt sein, seine Verfügungen abzuändern, jedoch nur in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unseren gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen".
Ergänzend wird hinsichtlich des Inhalts der letztwilligen Verfügung auf Bl. 17 ff. d. Testamentsakte Bezug genommen.
Im Jahr 1997 übersiedelte die Erblasserin in das Haus Straße1 in Stadt1-Ort1.
Später errichtete sie ein privatschriftliches Testament. Hierin bestimmte die Erblasserin, dass das Land an die Beteiligte zu 1) gehen solle. Die Beteiligte zu 2) solle nichts erhalten, wobei ergänzend auf Bl. 40 d. Testamentsakte Bezug genommen wird.
Nach dem Tod der Erblasserin hat die Beteiligte zu 1) einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten beantragt und sich dabei auf die handschriftliche letztwillige Verfügung der Erblasserin berufen. Dieses Testament sei in den Jahren zwischen 2014 und 2016 errichtet worden, was sich daraus ergebe, dass die Erblasserin ihr in diesem Zeitraum unter Beisein ihres Ehemannes erklärt habe, dass sie von ihrem Recht, das Testament hinsichtlich der Verteilung abzuändern, aufgrund eines Abbruchs der Beziehung zu der Beteiligten zu 2) "jetzt" Gebrauch gemacht habe.
Dem Erbscheinsantrag ist die Beteiligte zu 2) entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die Erblasserin sei an einer Enterbung ihrer Person aufgrund der Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament gehindert gewesen. Der Abänderungsvorbehalt umfasse nämlich nicht die Enterbung eines Kindes. Zudem sei ungeklärt, wann das handschriftliche Testament errichtet worden sei.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Es könne bereits nicht geklärt werden, wann das privatschriftliche Testament errichtet worden sei, was zulasten der Antragstellerin gehe. Entsprechend sei es denkbar, dass die letztwillige Verfügung noch zu Lebzeiten des Ehemanns der Erblasserin errichtet worden sei. Eine solche Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments zu Lebzeiten des Ehepartners sei aber keinesfalls von dem Änderungsvorbehalt erfasst, so dass letztlich auch dahingestellt bleiben könne, ob die Enterbung einer Tochter von dem Änderungsvorbehalt gedeckt sei. Einer Errichtung vor dem Jahr 2002 stehe die Angabe der Beteiligten zu 1) nicht entgegen, da sich die ihr gegenüber gemachte Äußerung der Erblasserin auch auf ein anderes, unbekanntes Testament beziehen könne. Dafür spreche auch, dass die Erblasserin gerade keinen (zulässigen) Gebrauch von dem ihr im gemeinschaftlichen Testament eingeräumten Änderungsvorbehalt gemacht habe.
Die Beteiligte zu 1) hat gegen den ihr am 10. Oktober 2019 (Bl. 39 d. A.) zugestellten Beschluss mit einem am 7. November 2019 beim Nachlassgericht eingegangenen (Bl. 40 d. A.) Schriftsatz befristete Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat (Bl. 45 d. A.). Zur Begrün...