Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Wechselbezüglichkeit eines Testaments auf die Lebzeit der Testierenden
Leitsatz (amtlich)
Da es den Ehegatten freisteht zu bestimmen, ob und inwieweit ihre letztwilligen Anordnungen wechselbezüglich sein sollen, sind sie auch als befugt anzusehen, die Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen über dem im Gesetz vorgesehenen Rahmen hinaus zu erweitern bzw. zu beschränken oder auszuschließen und dem Überlebenden sogar ein freies Widerrufsrecht einzuräumen.
Verfahrensgang
AG Schwerin (Aktenzeichen 70 VI 156/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) vom 02.08.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 01.07.2019 wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,- EUR zurückgewiesen.
Gründe
Die Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem am 23.03.2013 vorverstorbenen F. E. B. verheiratet. Die Erblasserin hatte aus ihrer ersten Ehe drei Kinder und zwar die Beteiligten zu 1) bis 3). Ihr vorverstorbener Ehemann hatte zwei Kinder und zwar die Beteiligten zu 4) und 5).
Die Eheleute hatten am 03.11.2009 vor der Notarin F. in S. zu deren Urkundenrolle - Nr. 1271 / 2009 ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. Hierin hatten sie sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und zu Schlusserben des zuletzt Sterbenden sämtliche Abkömmlinge der Ehefrau und des Ehemanns zu gleichen Teilen.
In § 5 (Wechselbezüglichkeit und Bindung) haben sie folgendes testiert:
"... Dieses Testament soll nicht gemäß § 2079 BGB (Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten) angefochten werden können.
Die vorstehenden Erbeinsetzungen sind wechselbezüglich. Sie können somit zu unserer beider Lebzeiten nur gemeinschaftlich geändert oder durch einseitigen notariell beurkundeten Widerruf beseitigt werden.
Nach dem Tod des zuerst Sterbenden kann der Überlebende über das beiderseitige Vermögen frei verfügen.
Er ist darüber hinaus auch berechtigt, letztwillig anderweitig über den beiderseitigen Nachlass zu verfügen. ...".
Nachdem ihr Ehemann verstorben war hat die Erblasserin am 19.02.2014 ein handschriftliches Testament aufgesetzt. Hierin hat sie verfügt:
"... dass nach meinem Ableben meine Kinder zu gleichen Teilen erbberechtigt sind:
U. Z., geboren am 20.09.1960
O. Z., geboren am 12.01.1962
G. G. W., geborene Z., geboren am 07.08.1964. ...".
Im letzten Satz ihres handschriftlichen Testaments heißt es sodann:
"... Das notarielle Testament vom 05.11.2009 verliert hiermit seine Gültigkeit. ...".
Die Beteiligte zu 3) hat nach dem Versterben der Erblasserin am 22.02.2019 die Notarin F. aus S. zu deren Urkundenrolle - Nr. 221 / 2019 um die Beurkundung eines Antrags auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ersucht, nach dem die Erblasserin von ihren Kindern, den Beteiligten zu 1) bis 3), zu gleichen Teilen beerbt worden ist. Der entsprechende Antrag der Notarin F. ging am 26.02.2019 beim Amtsgericht S. - Nachlassgericht - ein.
Die Tochter des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin, die Beteiligte zu 4) hat indes Einwände gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass die Erbeinsetzung im ursprünglichen Testament bindend gewesen sei und nicht nachträglich durch die Erblasserin habe geändert werden können. Das handschriftliche Testament der Erblasserin sei mit dem mutmaßlichen Willen ihres Vaters nicht vereinbar.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - S. hat die Notarin F. daraufhin zur Stellungnahme aufgefordert. Diese hat unter dem 25.04.2019 eine Stellungnahme abgegeben.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Schwerin hat mit Beschluss vom 01.07.2019 sodann die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, wonach die Erblasserin von ihren Kindern, den Beteiligten zu 1) bis 3) jeweils zu 1/3 beerbt worden sei. Dies hat das Amtsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass sich die im Testament vereinbarte Wechselbezüglichkeit nur auf die Lebzeiten beider Eheleute bezogen hätte. Nach dem Tod des Erststerbenden sei es dem Überlebenden unbenommen geblieben, über den beiderseitigen Nachlass frei zu verfügen. Dies finde seine Bestätigung in der Stellungnahme der Notarin F. vom 25.04.2019.
Hiergegen hat die Beteiligte zu 4) Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht indes nicht abgeholfen und die Sache stattdessen dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II. Die nach §§ 58, 63 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Bei dem notariellen Testament der Eheleute B. vom 03.11.2009 handelt es sich um ein gemeinschaftliches Ehegattentestament im Sinne des § 2269 BGB, durch das die Ehegatten sich zunächst gegenseitig zu Erben eingesetzt und die Beteiligten zu 1) bis 5) nach dem Tode des Letztversterbenden zu Schlusserben berufen haben.
Nach § 2271 Abs. 2 BGB erlischt das Recht des Ehegatten zum Widerruf der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügung mit dem Tode des anderen Ehegatten. Der überlebende Ehegatte ist damit an eine wechsel...