Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines Ehegattentestaments nach dem ZGB/DDR

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Ehegattentestament in den neuen Bundesländern zur Zeit der Geltung des ZGB/DDR errichtet worden, richtet sich die Beurteilung der Wirksamkeit und der Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten nach den Regelungen des ZGB/DDR.

2. Auf die Wechselbezüglichkeit kommt es bei einem solchen Testament für die Bindungswirkung nicht an, da das ZGB/DDR eine Wechselbezüglichkeit nicht kannte.

 

Verfahrensgang

AG Rostock (Aktenzeichen 91 VI 598/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 04.05.2020 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 525.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin war mit O. F. S. verheiratet, der 1996 vorverstarb. Die Eheleute S. hatten einen Sohn - U. S. -, der 1957 geboren wurde und 2011 verstarb. Weitere Kinder hatten die Eheleute S. nicht. Der Sohn U. S. war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammt die Beteiligte zu 2). Ein weiteres Kind aus dieser Ehe verstarb im Jahr 2006, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Mit der Beteiligten zu 1) war der Sohn in zweiter Ehe verheiratet. Kinder sind aus dieser Beziehung nicht hervorgegangen.

Am 07.07.1979 errichtete die Erblasserin mit ihrem (vorverstorbenen) Ehemann ein gemeinschaftliches Testament. In jenem Testament heißt es:

"... Hiermit verfügen wir - die Unterzeichner - daß beim Todesfall eines Ehepartners, der andere Ehepartner das Erbe des gesamten Vermögens u. Besitzes antritt. Erst mit dem Tod beider Unterzeichner tritt unser Sohn U. S., geb. am 4.3.1957, die Erbfolge an. ...".

Am 04.07.2012 und am 07.09.2012 errichtete die Erblasserin notarielle Testamente, wobei sie in dem Testament vom 04.07.20212 die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin einsetzte. Diese Testamente gab die Erblasserin in die amtliche Verwahrung der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Rostock, von der die Erblasserin sie im Februar 2018 wieder entnahm.

Am 18.02.2018 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie sämtliche vorangegangenen letztwilligen Verfügungen widerrief und mit dem sie die Beteiligte zu 2) zu 30 % und die Beteiligte zu 1) zu 70 % als Erben einsetzte. Gleichzeitig traf sie eine Teilungsanordnung hinsichtlich des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks in K. und formulierte eine Pflichtteilsklausel zu Lasten der Beteiligten zu 2), zu deren Inhalt im Einzelnen auf das in der Akte befindliche Testament (Bl. 9 d.A. IV 54/19) Bezug genommen wird.

Die Beteiligte zu 1) hat mit notarieller Urkunde der Notarin N. aus B. D. vom 13.03.2019 zu deren Urkundenrolle-Nr. 245/2019 einen Erbschein dahingehend beantragt, dass die Erblasserin von der Beteiligten zu 2) zu 30 % und von der Beteiligten zu 1) zu 70 % beerbt worden sei. Sie hat sich in diesem Zusammenhang auf das Testament der Erblasserin vom 18.02.2018 berufen und dabei die Auffassung vertreten, dass dieses Testament wirksam errichtet worden sei. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute S. aus dem Jahr 1979 stehe dem nicht entgegen, da die Erblasserin nicht an dessen Inhalt gebunden sei. Nach Vorversterben des U. S. sei der dort genannte Schlusserbe weggefallen, ohne dass sich aus dem Testament die Einsetzung von Ersatzerben ergebe. Eine Schlusserbenstellung der Beteiligten zu 2) komme allenfalls wegen der gesetzlichen Vermutung des § 2069 BGB in Betracht. Die Ersatzberufung von Abkömmlingen sei aber nur dann bindend, wenn die Ersatzberufung nicht nur auf der gesetzlichen Regelung des § 2069 BGB beruhe, sondern ein darauf gerichteter Wille der Erblasser im Einzelfall feststellbar sei. Hieran fehle es vorliegend.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass es innerhalb der Familie und in der gemeinsamen Vorstellung der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemanns klar gewesen sei, dass sie Alleinerbin werden solle.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat in der Anhörung vom 06.03.2020 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. L. (Ehemann der Beteiligten zu 2) und I. P. (Mutter der Beteiligten zu 2) sowie durch schriftliche Vernehmung des Zeugen G. Sch.

Sodann hat das Amtsgericht R. - Nachlassgericht - den Antrag der Beteiligten zu 1) auf den von ihr begehrten Erbschein zurückgewiesen. Dies hat das Amtsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Festlegungen der Eheleute S. im gemeinschaftlichen Testament vom 07.07.1979 unter Zuhilfenahme einer ergänzenden Auslegung so zu verstehen seien, dass sie eine Ersatzerbeinsetzung der leiblichen Nachkommen des als Schlusserben eingesetzten U. S. enthalten würden. Da es sich hierbei um ein wechselbezügliches Testament der Eheleute S. gehandelt habe, sei die letztwillige Verfügung der Erblasserin mit Testament vom 13.02.2018 unwirksam. Die Beteiligte zu 2) sei als allein noch lebender Abkömmling des U. S. nach dessen Vorversterben dementsprechend als Alleinerbin anzusehen. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge