Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung eines Testimonialwerbevertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Vertragsparteien keine ordentliche Kündigungsregelung getroffen, kann ein Testimonialwerbevertrag nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
2. Soweit eine Testimonialwerbung mit besonderem Gewicht auf die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten zugreift, gilt dies nicht nur für prominente Werbeträger, sondern im Grundsatz für jede Person, deren Abbildung zu Werbezwecken verwendet wird.
3. Das Interesse des Vertragspartners an einer fortgesetzten Dispositionsfreiheit über das Testimonial ist nicht mehr schutzwürdig, wenn zwischen den Parteien gerichtliche Konflikte ausgetragen werden, die in Widerspruch zum Interesse an einem Imagetransfer stehen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 29.12.2022; Aktenzeichen 2-03 O 5/23) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Dezember 2022 - 2-03 O 5/23 - aufgehoben.
Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro - ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu zwei Jahren - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten die Verwendung von Testimonialwerbung und / oder Abbildungen des Antragstellers verboten, wie im Internet unter:
www.(...).de
www.(...).de
www.(...).de
geschehen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die weitere Verwendung einer Testimonialwerbung.
1. Der Antragsteller ist Steuer- und Unternehmensberater, die Antragsgegnerin zu 1) eine Unternehmensberatung, deren Geschäftsführer die Antragsgegner zu 2) und 3) sind.
a) Der Antragsteller und die Antragsgegner pflegten ursprünglich gute geschäftlichen Beziehungen. Im Zusammenhang mit Coaching-Angeboten, die der Antragsteller bei den Antragsgegnern wahrnahm, stellte er sich im Rahmen eines Testimonials für die Antragsgegner zur Verfügung, indem er sich im Stil eines Interviews positiv über die Kompetenz der Antragsgegner äußerte. Das Video ist u.a. auf der Internetseite der Antragsgegnerin zu 1) unter der Rubrik "Kundenstimmen" öffentlich abrufbar.
b) Am 3.11.2022 und ebenso in der Folgezeit forderte der Antragsteller die Antragsgegner vergeblich auf, das Video auf der Internetseite der Antragsgegnerin zu 1) wie ebenso, soweit es auf "YouTube" zu sehen ist, zu entfernen.
aa) Seit Veröffentlichung der Videos habe sich seine Beziehung zu den Antragsgegnern in das Lager der Kritiker verschoben. Dies sei unter anderem auf eine Auseinandersetzung zwischen den Antragsgegnern und seinem Geschäftspartner V zurückzuführen, dem er sich im Rahmen der Auseinandersetzung verbunden gesehen habe. Daraufhin hätten sich auch seine Beziehungen zu den Antragsgegnern verschlechtert (Bl. 14 dA).
bb) Am 5.11.2022 habe sich der Antragsgegner zu 3) - Gegenstand weiterer gerichtlicher Verfahren - in einem am selben Tag auf der Internetseite "www.(...).de" erschienenen Artikel mit dem Titel "Vs dubiose Geschäfte in Dubai" wie folgt abträglich in Bezug auf den Antragsteller geäußert:
"Kurios: Selbst prominent platzierte Steuerberater innerhalb der Y Membership klären wohl nicht über das offensichtliche Risiko auf, sondern helfen V vielmehr proaktiv dabei, neue Mitglieder anzuwerben."
bzw. habe der Antragsgegner zu 3) diesen Artikel auf "YouTube" wie folgt abträglich kommentiert:
"'Die Firma, die das Ganze anbietet, ist der Bestseller Verlag - und damit kann ich dann das ganze auch betrieblich von der Steuer absetzen?', fragen wir W. Klare Antwort: 'Ja! Wir haben in der Y ja auch den Steuerberater X Die Rechnung wird auf jeden Fall so geschrieben, dass du die ohne Hickhack angeben kannst und sie zurückbekommst', sagt W. Wir sind kurz verdutzt über diese Wortwahl. Gibt es mehrere Wege, Rechnungen zu schreiben? Wir kennen nur einen Weg - und zwar den Korrekten."
Hiermit werde wahrheitswidrig eine einflussreiche Stellung innerhalb der Y LLC unterstellt, deren bestimmende Figur und Speaker bei den Events der Y Membership jedoch V sei (Bl. 15 f. dA).
cc) Darüber hinaus hätten die Antragsteller auf der sogenannten "Event1" - einem durch den Antragsteller mitfinanzierten Event, das im Rahmen der "Marktführer A" der Antragsgegner angeboten werde - es der Steuerberatungsgesellschaft "Z" ermöglicht, einen Werbestand aufzustellen, obwohl diese Firma in unmittelbarem Wettbewerb zu seinen eigenen Geschäften stehe. Seine Zahlungen hätten aber eine Networking- und Vermarktungsmöglichkeit für seine eigenen Geschäfte bezwecken sollen, nicht für die seiner ...