Leitsatz (amtlich)
Anwendung des § 15a RVG bei Abmahnung nach teilweiser Klagerücknahme
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.02.2020; Aktenzeichen 3-8 O 125/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 482,30 EUR
Gründe
I. Der Kläger hat mit Kostenfestsetzungsantrag vom 28.01.2020 eine 1,3-Verfahrensgebühr (EUR 964,60) geltend gemacht.
Mit der hiesigen Klage hatte er zuvor den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe einer 1,3-Gebühr geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 03.01.2020 hatte der Kläger mit Blick auf die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr die Klage insoweit teilweise zurückgenommen und nunmehr noch die Zahlung von 526,58 EUR beantragt (0,65 Gebühr). Mit Schriftsatz vom 12.01.2020 hatte der Kläger den Zahlungsantrag schließlich komplette zurückgenommen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.02.2020 hat das Landgericht angeordnet, dass der Beklagte dem Kläger EUR 2.220,00 zu erstatten hat. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Der Beklagte wendet ein, auf die Verfahrensgebühr sei die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen. Im Übrigen sei mit der teilweisen Klagerücknahme "Verzicht" erklärt worden.
II. 1.) Über die Beschwerde war gemäß § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden, da die in Satz 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
2.) Das gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 567 Abs. 2; 569 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO) Rechtsmittel des Beklagten ist in der Sache unbegründet.
a) Für die Prozessbevollmächtigte des Klägers ist im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren u.a. eine Verfahrensgebühr entstanden (Nr. 3100 VV RVG). Bereits zuvor war für die außergerichtliche Vertretung eine 1,3-Geschäftsgebühr entstanden (Nr. 2300 VV RVG). Die Geschäftsgebühr selbst gehört nicht zu den Kosten des Rechtsstreits (BGH NJW 2008, 1323 Rn. 5). Sie kann daher nicht auf Grundlage der Kostenentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren beansprucht werden, sondern muss eingeklagt werden. Die Bestimmung des § 15a I RVG regelt die Gebührenforderung des Anwalts gegenüber dem Mandanten im Innenverhältnis, wenn ein Anrechnungstatbestand eingreift. Ein solcher Anrechnungstatbestand ergibt sich im Streitfall aus Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG.
b) Der Beklagte hat nach der rechtskräftigen Kostenentscheidung die erstinstanzlichen Prozesskosten zu tragen. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) ist von der kostenpflichtigen Partei grundsätzlich voll und ganz zu erstatten. Die alte Rechtsprechung, wonach die Verfahrensgebühr wegen der in Vorb. 3 Absatz 4 VV RVG vorgesehenen Anrechnung der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr von vornherein nur in gekürzter Höhe entsteht (vgl. noch BGH NJW 2008, 1323, Rn. 10), ist nach Inkrafttreten des § 15a RVG am 5.8.2009 aufgegeben worden (BGH, Beschl. v. 22.6.2011 - I ZB 86/10 - Abzug der Geschäftsgebühr IV). Der Berücksichtigung der hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr steht im Verhältnis zum Beklagten die Regelung des § 15a Abs. 2 RVG entgegen. Dieser zufolge kann sich ein Dritter - also derjenige, der wie der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Vergütung nicht selbst schuldet - auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
(1) Ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben. Der Beklagte hat die Geschäftsgebühr nicht bezahlt. Es besteht insoweit auch kein wirksamer Vollstreckungstitel gegen ihn. Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren die 1,3-Geschäftsgebühr gegenüber dem Beklagten auch nicht (mehr) geltend. Er hat mit Schriftsatz vom 12.01.2020 die Klage im Hinblick auf die Abmahnkosten vollständig zurückgenommen.
(2) Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dem Kläger stehe hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten kein Kostenerstattungsanspruch auf § 12 UWG zu. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger steht im Streitfall gegen den Beklagten nach der Entscheidung des BGH "Anwaltsabmahnung II" (I ZR 33/16) kein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Abmahnkosten aus § 12 I 2 UWG zu, da jedenfalls der Kläger diesen Antrag im Verfahren vollständig zurückgenommen hat, was der Beklagte übersieht. Eine andere Frage ist, welche Prozesskosten der Beklagte zu tragen hat. Bei der außergerichtlichen Geschäftsgebühr und der (gerichtlichen) Verfahrensgebühr handelt es sich um unterschiedliche Gebührentatbestände. Der Umstand, dass der Beklagte die Geschäftsgebühr nicht zu erstatten hat, bedeutet gerade nicht, dass er auch die Verfahrensgebühr nur zur Hälfte tragen muss. Vielmehr findet eine Anrechnu...