Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktiengesellschaft: Keine zeitliche Grenze für das Ergänzungsverlangen zur Tagesordnung durch Zeitpunkt des sog. record-dates
Normenkette
AktG §§ 121-122, 124
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.10.2016; Aktenzeichen 3-5 O 157/16) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen jeweils hälftig zu tragen.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 50.000,00 EUR
Gründe
I. Die Kläger haben die Kassation einer in der Hauptversammlung der Beklagten vom 31.5.2916 beschlossenen Kapitalmaßnahme begehrt und sich in ihren rechtzeitig angebrachten Klagen u.a. auf Mängel des Aktionärsverlangens zur nachträglichen Ergänzung der Tagesordnung und Versäumnisse anlässlich der Bekanntmachung gestützt. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die Darstellung im angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 130 ff. d.A.).
Das Landgericht hat den Beschluss für nichtig erklärt, weil das Verlangen nach Ergänzung der Tagesordnung zwar durch den Mehrheitsaktionär berechtigt habe angebracht werden können, aber nicht rechtzeitig bekannt gemacht worden sei. Da die Satzung der nicht börsennotierten Beklagten den Nachweisstichtag auf den 21. Tag vor den Hauptversammlung festgelegt habe, hätte die Bekanntmachung bis dahin erfolgt sein müssen, um Aktionären noch einen Zukauf von Aktien im Hinblick auf die ergänzte Tagesordnung zu ermöglichen. Dies entspreche dem Rechtsgedanken der Aktionärsrechterichtlinie.
Die Berufung hat geltend gemacht, diese Richtlinie betreffe Aktien börsennotierter Unternehmen, zu denen die Beklagte gerade nicht gehöre. Eine entsprechende Anwendung auf nichtbörsennotierte Gesellschaften sei verfehlt, weil bei diesen die Frist für das Ergänzungsverlangen anders als bei börsennotierten nicht 30 Tage, sondern nur 24 Tage betrage. Bei einer Ausschöpfung der Frist sei eine Veröffentlichung vor Ablauf des Nachweiszeitpunkts regelmäßig nicht zu erreichen.
Die Kläger haben das Urteil verteidigt und sich erneut auf die bereits in erster Instanz geltend gemachten Mängel gestützt.
U.a. weil in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7. Februar 2017 durch Beschluss zu TOP 2 Ziffer 1. der hier angefochtene Beschluss ausdrücklich aufgehoben, dieser Beschluss nicht seinerseits angefochten worden und damit das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussmängelklage entfallen ist, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13. Juni 2017 den Rechtsstreit in der Hauptsache einvernehmlich für erledigt erklärt, die Beklagte unter Verwahrung gegen die Kostenlast.
II. Hiernach war lediglich noch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO).
Dies führte dazu, dass die Kosten des Rechtsstreits jeweils hälftig (§ 100 Abs. 1 ZPO) den Klägerinnen aufzuerlegen waren, denn auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen vom 27. Oktober 2016 wäre ohne übereinstimmende Erledigungserklärung das angefochtene Urteil voraussichtlich abzuändern und die Klage abzuweisen gewesen.
Die unzulässig gewordene Klage war von Anfang an nicht begründet. An dieser Beurteilung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zu 1. im Schriftsatz vom 14. Juni 2017 (Bl. 279 ff d. A.) fest.
Nichtigkeitsgründe (§ 241 AktG) waren nicht ersichtlich und nicht geltend gemacht.
Anfechtungsgründe (§ 243 Abs. 1 AktG) waren gleichfalls nicht gegeben.
Der vom Landgericht herangezogene Anfechtungsgrund - Verstoß gegen §§ 122 Abs. 2, 124 Abs. 1 Satz 1 AktG - hiernach ist das Ergänzungsverlangen unverzüglich nach seinem Zugang zu veröffentlichen - war nicht gegeben.
Entgegen der Annahme des Landgerichts findet dies keine zeitliche Grenze im dem Zeitpunkt des sog. Record-dates. Dieser Zeitpunkt zum Nachweis des teilnahmeberechtigenden Aktienbesitzes liegt gemäß § 123 Abs. 4 Satz 2 AktG bei börsennotierten (§ 3 Abs.2 AktG) Gesellschaften 21 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung, wobei nach § 121 Abs.7 der Stichtag und der Tag der Hauptversammlung nicht mitgerechnet werden. Die nicht börsennotierte Beklagte hatte die Regelung über § 21 Abs.2 ihrer Satzung für anwendbar mit der Folge erklärt, dass der Stichpunkt für den Aktiennachweis hier der Beginn des 10.5.2016, also 0 Uhr, war.
Insoweit hat das Landgericht übersehen, dass "unverzüglich" gemäß § 121 Abs.1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" heißt, wobei ein Endzeitpunkt nicht vorgesehen ist. Aus der Aktionärsrechterichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 (2007/36/EG) ist ein solcher nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung herzuleiten, denn die Richtlinie betrifft allein börsennotierte Unternehmen. Die dort geltende Bewertung kann auf andere Gesellschaften, deren Aktien wie die der Beklagten im Freiverkehr gehandelt werden, nicht übertragen werden. Bei börsennotierten Unternehmen ist ein anderer Anmeldungszeitp...