Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Einschränkungen der Tierhaltung können mehrheitlich beschlossen werden.
2. Die Haltung von Schlangen und Ratten in der Eigentumswohnung stellt keinen ordnungsmäßigen Gebrauch des Sondereigentums dar.
Normenkette
WoEigG § 14 Abs. 1, §§ 21, 13 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Kassel (Aktenzeichen 6 UR II 49/89) |
LG Kassel (Aktenzeichen 3 T 14/90) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde heben die Antragsteller zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 5.000,– DM.
Gründe
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer. Die Tochter der Antragsteller ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für … und hält in der 80,78 qm großen Wohnung ihrer Eltern einige Schlangen (zur Zeit 11 Tiere: 3 Kornnattern. 5 Oxys und 3 Boas, wobei letztere ca. 2 Meter lang sind). Die Schlangen werden mit Mäusen und Retten gefüttert, die die Tochter ebenfalls in der Wohnung züchtet (4 Käfige mit einem Durchschnittsbesatz von 24 Mäusen und Retten). Die Gemeinschaft verfugt über eine Hausordnung, in der es unter Nr. 9 unter anderem heißt, daß die Tierhaltung nur erlaubt sei, wenn dadurch keine Belästigung der Hausbewohner entstehe.
Mit Eigentümerbeschluß vom 06.07.1989 haben die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen, das Halten von Ratten und dem Artenschutz unterliegenden Tieren zu verbieten. Insbesondere soll das Halten von Schlangen nicht erlaubt sein (TOP 7). Gemäß einem weiteren Eigentümerbeschluß vom gleiche Tage (TOP 8) soll den betroffenen Miteigentümern diese Tierhaltung untersagt werden und der Verwalter für den Weigerungsfell zur Durchsetzung der Unterlassungsansprüche ermächtigt sein. Die Antragsteller haben diese Eigentümerbeschlüsse angefochten.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 27.11.1989 wegen Unbestimmtheit den Eigentümerbeschluß zu TOP 7 insoweit für ungültig erklärt, als er die Haltung von dem Artenschutz unterliegenden Tiere verbietet, im übrigen, soweit das Halten von Retten und Schlangen verboten wurde, die Anfechtungsanträge zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen heben keine Beweisaufnahme zu den zwischen den Beteiligten streitigen Fragen durchgeführt, ob von der Tierhaltung eine Geruchsbelästigung ausgeht und die Tiere ausbruchsicher verwahrt werden.
Die gegen den landgerichtlichen Beschluß gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluß beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung, worauf allein er nachzuprüfen war.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Wohnungseigentümer mehrheitlich Ober die beanstandete Tierhaltung beschließen durften. Dies schon deswegen, weil sie, wie sich aus dem Beschlußprotokoll nebst Tagesordnung ergibt, die bestehende Hausordnung ergänzen wollten. Dies ist durch Mehrheitsbeschluß möglich (OLG Frankfurt Rpfleger 78, 414), selbst denn, wenn die Hausordnung in der Gemeinschaftsordnung enthalten wäre (Weitnauer, WEG, 7. Aufl., § 21 Rdnr. 14; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 15 Rdnr. 7), was hier nicht der Fall ist. Da die Hausordnung Fragen zu regeln hat, in denen eine gewisse Beweglichkeit nötig ist und sie als Regelung weniger wichtiger Materien leicht abänderbar und anpassungsfähig sein muß, steht der Wirksamkeit der noch streitgegenständlichen Eigentümerbeschlüsse zu TOP 7 und 8 nicht entgegen, de die Antragsteller als Zustandsstörer wegen der Art der gehaltenen Tiere allein Veranlassung zu dieser Beschlußfassung gegeben haben (vgl. Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, Rdnr. 428).
Entgegen dem Vortrag der weiteren Beschwerde wird nicht unzulässig in den Wesensgehalt des Sondereigentums (§ 13 I WEG) eingegriffen, wenn gemäß § 15 II WEG eine Gebrauchsregelung auch für des Sondereigentum beschlossen wird, die einem ordnungsmäßigen Gebrauch entspricht. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen festgestellt, daß die Antragsteller mit der Duldung der beanstandeten Tierhaltung den ordnungsmäßigen Gebrauch überschreiten.
Ordnungsmäßig ist ein Gebrauch des Sondereigentums, der sich im Rahmen von § 14 Nr. 1 WEG hält (Palandt-Bassenge, BGB, 49. Aufl., § 15 WEG Anm. 3a). Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Störungen beim Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft zwar nicht zu vermeiden sind, aber auf des unvermeidliche Maß beschränkt werden, müssen. Bei der Einzelfallbeurteilung kommt es zur Ausfüllung des Begriffs des „ordnungsmäßigen Gebrauchs” wesentlich auch auf die Verkehrsanschauung an (Weitnauer, a.a.O., § 14 Rdnr. 3; OLG Stuttgart Rpfleger 82, 220). Insofern ist die Annahme der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, daß nach den hiesigen tradierten soziokulturellen Vorstellungen der Allgemeinheit die Haltung von Schlangen und Ratten, die als Lebendfutter dienen, mit einem ordnungsmäßigen Wohnen in einer Wohnungseigentumsanlege nicht zu vereinbaren ist. Es ...