Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage des Anonymisierungsumfangs bei der Veröffentlichung markenrechtlicher Entscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schätzt der erkennende Richter bzw. ein Richter des erkennenden Spruchkörpers eine von diesem erlassene Entscheidung als veröffentlichungswürdig ein, ist die Gerichtsverwaltung an diese Einschätzung gebunden.

2. Enscheidungen, die in markenrechtlichen Streitigkeiten ergehen, können grundsätzlich unter vollständiger nicht-anonymisierter Wiedergabe bzw. Angabe der Marken und der Registernummern veröffentlicht werden.

3. Ausnahmsweise muss eine über das übliche Maß hinausgehende Anonymisierung von zur Veröffentlichung vorgesehenen Gerichtsentscheidungen erfolgen oder kann eine Veröffentlichung sogar ausgeschlossen sein, wenn überwiegende Rechte der Parteien durch die Veröffentlichung verletzt würden.

4. Erst wenn konkrete Anhaltspunkte für eine solche Verletzung überwiegender Rechte vorliegen, muss die Gerichtsverwaltung eine Ermessensentscheidung unter Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichtkeit einerseits und der Geheimhaltungsinteressen der Parteien andererseits im Hinblick auf eine weitergehende Anonymisierung oder ein Absehen von der Veröffentlichung treffen.

 

Normenkette

EGGVG § 23; GG Art. 20; MarkenG §§ 4, 62

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 08.12.2017)

 

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom XX.XX.2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Vollziehung der Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom XX.XX.2017 - Az. 1 - wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung ausgesetzt.

Der Geschäftswert wird auf 54.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom XX.XX.2017, mit welcher dieser die Veröffentlichung eines am XX.XX.2017 verkündeten Urteils des ... Zivilsenats (Az. 2, Landgericht Stadt1 Az. 3) angeordnet hat.

Die hiesige Antragstellerin war Partei des genannten Zivilprozesses, der einen markenrechtlichen Streit zum Gegenstand hatte.

Sie hatte als Klägerin Ansprüche aus zwei von ihr angemeldeten Wortmarken - einer inländischen und einer Gemeinschaftsmarke - gegen die dortige Beklagte wegen des nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Gebrauchs eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr geltend gemacht.

Das Landgericht hatte der Klage unter Teilabweisung überwiegend stattgegeben. Dagegen hatte die dortige Beklagte Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegt und hilfsweise Widerklage auf Nichtigerklärung der Gemeinschaftsmarke der Antragstellerin erhoben.

Die Antragstellerin war der Berufung entgegengetreten, hatte Anschlussberufung eingelegt und über den erstinstanzlichen Ausspruch hinaus beantragt, die dortige Beklagte zur weitergehenden Auskunftserteilung zu verurteilen sowie ihr - der Antragstellerin - die Befugnis zuzusprechen, das Urteil auf Kosten der dortigen Beklagten in einer von ihr bezeichneten Branchenzeitschrift zu veröffentlichen.

In der mündlichen Verhandlung vom XX.XX.2017 vor dem ... Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erklärten die Parteien den Rechtsstreit nach Abgabe einer Unterlassungserklärung der Beklagten teilweise für erledigt. Sie verfolgten im Übrigen ihre Anträge weiter und schlossen im Hinblick auf den verbliebenen Streitgegenstand einen später widerrufenen Vergleich.

Der ... Zivilsenat erteilte in der mündlichen Verhandlung einen Hinweis zu einer möglichen Abweisungsreife der Klage aus der Sekundärmarke (der Gemeinschaftsmarke), worauf die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Schriftsatznachlass beantragten.

Nach Widerruf des Vergleichs erging das zur Veröffentlichung stehende Urteil, mit welchem unter Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils Klage und Anschlussberufung der hiesigen Antragstellerin ab- bzw. zurückgewiesen wurden. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom XX.XX.2018 zurückgewiesen hatte. Die dagegen von der Antragstellerin erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom XX.XX.2018 ebenfalls zurück. Die Antragstellerin hat gegen jenen Beschluss des Bundesgerichtshofs und gegen das zur Veröffentlichung stehende Urteil des Oberlandesgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der Vorsitzende des ... Zivilsenats übermittelte unter dem XX.XX.2017 der Dokumentationsstelle (Referat I/7 der Präsidialabteilung) des Oberlandesgerichts eine Abschrift des genannten Urteils zusammen mit einem ausgefüllten Formblatt (Erfassungsbogen). Die Entscheidung sei geeignet zur Veröffentlichung in der Landesrechtsprechungsdatenbank (LaReDa) sowie bei juris. Wegen der weiteren ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge