Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Vorlegungsbeschluss vom 28.08.1990; Aktenzeichen 2/11 S 151/90) |
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen Hö 3 C 2195/89) |
Tenor
Mietverträge, die für dieselbe Wohnung mehrfach nacheinander ausdrücklich nur für ein Jahr geschlossen werden, sind grundsätzlich wirksam.
Gründe
Die Beklagte bewohnt seit 1985 eine Wohnung im Haus … dessen Eigentümer der Kläger ist. Sie ist in diese Wohnung am 1.3.1985 eingezogen auf Grund eines ausdrücklich auf die Dauer eines Jahres befristeten Formularmietvertrages vom 29.1.1985. In den darauffolgenden Jahren 1986, 1987 und 1988 hat der Kläger dieselbe Wohnung an die Beklagte jeweils durch schriftlichen Vertrag wiederum ausdrücklich nur auf die Dauer eines Jahres vermietet, zuletzt mit Vertrag vom 22.2.1988 für die Zeit vom 1.3.1988 bis zum 28.2.1989. Unter dem 11.1.1989 bot der Kläger der Beklagten den Abschluß eines weiteren Mietvertrages für die Zeit vom 1.3.1989 bis zum 28.2.1990 an unter der Voraussetzung, daß sie mit einer „kleinen Mietanpassung” einverstanden sei. Die Beklagte weigerte sich, diesen neuen Mietvertrag zu unterzeichnen, weil sie an einem Mietvertrag mit längerer Laufzeit interessiert ist und die vom Kläger bislang gehandhabte Vertragsgestaltung für unzulässig hält. Darauf schrieb der Kläger ihr unter dem 18.2.1989, nach seiner Ansicht laufe das Mietverhältnis am 28.2.1989 ab; er sei jedoch bereit, ihr eine Räumungsfrist bis zum 31.5.1989 einzuräumen.
Die Beklagte räumte die Wohnung nicht. Die daraufhin vom Kläger erhobene Räumungsklage hat das Amtsgericht Frankfurt am Main abgewiesen. Es hat ausgeführt, die in dem Vertrag vom 29.1.1985 vereinbarte Befristung des Mietverhältnisses und die drei nachfolgenden Mietverträge der Parteien seien wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Danach sei im Hinblick auf die tatsächliche Verlängerung des Vertrages vom 29.1.1985 von einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag auszugehen. Der Kläger habe diesen Vertrag nicht gekündigt, einen Kündigungsgrund auch nicht vorgebracht. Der Kläger hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Räumungsklage stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landgericht hat – wegen grundsätzlicher Bedeutung – dem Senat folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
„Ist die mehrfache jährliche Befristung eines Mietverhältnisses (Kettenmietvertrag) zulässig?”
Das Landgericht meint, ein neuer Mietvertrag zwischen den Parteien für die Zeit ab 1.3.1989 sei nicht zustandegekommen. Deshalb müsse er der Räumungsklage stattgeben, wenn – was im Schrifttum umstritten sei – es für zulässig erachtet werde, Mietverträge für dieselbe Wohnung mehrfach nacheinander für eine bestimmte Vertragszeit zu schließen. Daher sei die gestellte Rechtsfrage für seine Entscheidung erheblich.
Die Parteien des Rechtsstreits haben sich zu dem Vorlagebeschluß geäußert.
Die Vorlage ist zulässig.
Sie betrifft eine Rechtsfrage, die den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum betrifft. Dabei ist nach Auffassung des Senats nicht entscheidend, daß die für die Beantwortung der Rechtsfrage maßgebende Bestimmung des § 138 BGB nicht unmittelbar dem materiellen Wohnraummietrecht zuzurechnen ist. Zum Gegenstand eines Vorlagebeschlusses nach Art. III Abs. 1 des 3. MietRÄndG können nämlich auch Rechtsfragen aus dem allgemeinen Teil des bürgerlichen Rechts zum Gegenstand eines Rechtsentscheids gemacht werden, die – wie im Streitfall – eine besonders von wohnraummietrechtlichen Gesichtspunkten bestimmte Interessenabwägung erfordern und damit einen engen sachlichen Bezug zum Wohnraummietrecht haben (vgl. BayObLGZ 1988, 109 = NJW 1988, 1796 = MDR 1988, 675 = WuM 1988, 205 = ZMR 1988, 253 = DWW 1988, 164 = RES § 550 b BGB Nr. 2; siehe auch BGHZ 89, 275/279 = NJW 1984, 1615 = ZMR 1984, 174 = RES § 29 a ZPO Nr. 1; zu diesem Problem auch Einf. in RES Bd. VI. II 2 = S. 20, 21 mit weiteren Nachweisen).
Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Landgerichts auch erheblich. Dabei kommt es darauf an, welche Rechtsauffassung das Landgericht im Vorlagebeschluß vertritt, sowie welche Tatsachenfeststellung und Würdigung es zugrundelegt, es sei denn sie wäre unhaltbar (BayObLGZ 1987, 36/38 = NJW 1987, 1950 = ZMR 1987, 174 = MDR 1987, 498 = WuM 1987, 112; BayObLG WuM 1989, 612 = RES § 564 c BGB Nr. 2 = ZMR 1990, 179 mit Anm. Schläger in ZMR 1990, 242). Der mit der Berufung vom Kläger weiterverfolgte Räumungs- und Herausgabeanspruch des Vermieters aus § 556 Abs. 1 BGB besteht nur dann, wenn es nicht sittenwidrig ist, einen Mietvertrag für dieselbe Wohnung mehrfach nacheinander jeweils neu nur auf die Dauer eines Jahres zu befristen; denn das Landgericht hat mit zumindest vertretbarer und damit den Senat bindender Rechtsauffassung das Zustandekommen eines neuen Mietvertrages zwischen den Parteien mit Wirkung ab 1.3.1989 verneint.
Es steht dem Rechtsentscheid nicht entgegen, daß das Landgericht in seinem Vorlagebeschluß nicht erw...