Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Rechtspflegers im VKH-Nachprüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Durchführung des VKH-Prüfungsverfahrens ist das Gericht zuständig (§ 120a Abs. 1 ZPO), und zwar gem. § 3 Nr. 3 RpflG, § 20 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) RpflG der Rechtspfleger. Eine weitergehende Übertragung insbesondere auf den mittleren Dienst ist nicht vorgesehen.
2. Jedenfalls die letzte mit einer Fristsetzung verbundene Aufforderung zur Mitwirkung im Nachprüfungsverfahren muss durch den zuständigen Rechtspfleger selbst verfügt worden sein, bevor der Aufhebungsbeschluss ergehen kann (Anschluss an LAG Hessen, Beschl. v. 28.5.2018 - 3 Ta 57/18, BeckRS 2018, 26466).
Normenkette
RPflG § 3 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c); ZPO §§ 120a, 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 464 F 10317/19) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr mit Beschluss vom 16.03.2020 für ein Gewaltschutzverfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe.
Mit Verfügung vom 17.05.2021 (Ziffer 1) wurde die Antragstellerin durch ein ihrer beigeordneten Rechtsanwältin zugestelltes und an sie zusätzlich persönlich formlos versandtes Schreiben aufgefordert, sich unter Verwendung des beigefügten Vordrucks binnen eines Monats über ihre aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erklären, andernfalls sei davon auszugehen, dass sie nunmehr zur Tragung der gestundeten Kosten in der Lage sei. Die Verfügung und das ausgefertigte Schreiben wurden von einer Justizfachangestellten als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gefertigt und gezeichnet. Auf der Grundlage der gleichen Verfügung (Ziffer 2) erinnerte die Justizfachangestellte gemäß Abvermerk vom 17.06.2021 die beigeordnete Rechtsanwältin der Antragstellerin an die Erledigung der Aufforderung vom 17.05.2021. Unter Ziffer 3) der vorgenannten Verfügung vom 17.05.2021 bestimmte die Justizfachangestellte die Vorlage der Akte an den zuständigen Rechtspfleger "1 Monat nach EB/ZU".
Mit Schreiben vom 25.06.2021 teilte die beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass diese ihr gegenüber erklärt habe, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offenbaren zu wollen, da sie der Auffassung sei, dass der Antragsgegner die Kosten zu tragen habe und sie nicht Beteiligte des Verfahrens, sondern nur Zeugin sei.
Daraufhin hob die zuständige Rechtspflegerin mit Beschluss vom 30.06.2021 die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe unter Bezugnahme auf §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2, 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO auf.
Gegen den der ihr beigeordneten Rechtsanwältin am 03.07.2021 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin persönlich mit der am 28.07.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit welcher sie im Wesentlichen die anwaltliche Tätigkeit und Vertretung durch die ihr beigeordnete Rechtsanwältin sowohl in erster Instanz als auch im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens rügt. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 05.10.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe gem. §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 120a Abs. 1 Satz 1 bis 3 ZPO liegen nicht vor. Nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO hat sich ein Beteiligter, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Veränderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Die Verfahrenskostenhilfebewilligung soll gem. §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO aufgehoben werden, wenn die geforderten Erklärungen nicht oder nur ungenügend abgegeben wurden.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da vor Erlass der angefochtenen Entscheidung eine ordnungsgemäße Beteiligung der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren nicht stattgefunden und somit das Verfahren an einem auch in der Beschwerdeinstanz nicht heilbaren formalen Mangel leidet.
Für die Aufhebung oder Abänderung der Verfahrenskostenhilfeentscheidung nach den auf Grund der Verweisungsnorm des § 76 Abs. 1 FamFG geltenden §§ 120a, 124 ZPO ist erforderlich, dass der entsprechenden Entscheidung des Gerichts ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren vorauszugehen hat; andernfalls ist die Entscheidung des Familiengerichts aufzuheben. Zu den zwingenden formalen Anforderungen an das Überprüfungsverfahren gehört, dass dieses durch das funktional zuständige Organ des Gerichts geführt wird und eine ordnungsgemäße Beteiligung des Beteiligten, dem die Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, erfolgt (vgl. Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Aufl. 2022, Rn. 1010). Letzteres erfordert, ...