Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckungsbehörde verpflichtet ist, den Gefangenen in den offenen Vollzug zu übernehmen.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 970 Js 31169/03) |
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 1 Zs 294/05) |
Gründe
I.
Das Landgericht Darmstadt verhängte mit Urteil vom 14.07.2005 gegen den Verurteilten wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain) in 83 Fällen, wobei er in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt hat - nach Einholung einer Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt O1 - den Verurteilten mit Ladungsverfügung vom 10.10.2005 zur Durchführung des Einweisungsverfahrens in die JVA O1 geladen verbunden mit dem Hinweis, daß die zuständige Vollzugsanstalt einer Direkteinweisung in den offenen Vollzug nicht zugestimmt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hat die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mit Bescheid vom 04.11.2005 zurückgewiesen.
Mit seinem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung rügt der Verurteilte eine Verletzung seiner Rechte gemäß § 10 Abs. 1 StVollzG und auf fehlerfreien Ermessensgebrauch und begehrt die direkte Einweisung in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt O2.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässig (vgl. Senat, NStZ-RR 2001, 316; Beschluß vom 29.09.2003 - 3 VAs 40/03 - m. w. N.), insbesondere form- und fristgerecht gestellt und begründet worden. Er hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 10 Abs. 1 StVollzG soll ein Gefangener in den offenen Vollzug untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich keine Flucht- oder Mißbrauchsgefahr zu befürchten ist. Auch wenn es sich bei der Prüfung der Eignung für den offenen Vollzug regelmäßig um einen Entscheidungsprozeß innerhalb und nicht außerhalb des Strafvollzugs handelt, umfaßt der Begriff "Unterbringung" in § 10 StVollzG die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe von Anfang an im offenen Vollzug zu verbüßen (vgl. Senat, NStZ-RR 2001, 316, 317; Beschluß vom 29.09.2003 - 3 VAs 40/03 - , jew. m. w. N.). Die Vorschrift begründet allerdings keinen Rechtsanspruch für den Verurteilten auf Unterbringung in den offenen Vollzug, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Eressensgebrauch (vgl. Senat, Beschluß vom 29.09.2003 - 3 VAs 40/03 - ; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 10. A., § 10 RN 2).
Dementsprechend ist bereits vor Strafbeginn durch die Vollzugsbehörde die Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug und das Fehlen einer Flucht- und Mißbrauchsgefahr zu prüfen und auf Grundlage dieser Entscheidung die Ladung durch die Vollstreckungsbehörde in den offenen oder geschlossenen Vollzug vorzunehmen. Hierbei, insbesondere bei der Prüfung der Flucht- und Mißbrauchsgefahr, hat die Vollstreckungsbehörde grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller prognostisch maßgeblichen Umstände vorzunehmen, insbesondere die Persönlichkeit des Gefangenen zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Senats, z. B. StV 2003, 399 m. w. N.). Verneint die Vollzugsbehörde - wie hier - die Eignung für den offenen Vollzug und lädt deshalb die Vollstreckungsbehörde in den geschlossenen Vollzug, ist in dem Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG die Entscheidung der Vollzugsbehörde mit zu überprüfen, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Vollzugsbehörde bei der Prüfung der Eignung und der Prognoseentscheidung über Flucht- und Mißbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wurde und deshalb die Entscheidung nicht uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (Senat, NStZ-RR 2001, 316, 317; Beschluß vom 07.10.2005 - 3 Ws 41/05 -). Der Senat kann daher lediglich überprüfen, ob die Behörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des herangezogenen Versagungsgrundes - fehlende Eignung bzw. Bestehen von Flucht- und/oder Mißbrauchsgefahr - zugrunde gelegt sowie die erforderliche Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller für die Entscheidung über die Vollzugsform wesentlichen Gesichtspunkte vorgenommen und dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat (vgl. Senat, StV 2003, 399; Beschluß vom 07.10.2005 - 3 Ws 41/05 - m. w. N.). Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen der Beurteilungsspielraum oder das Ermessen auf Null reduziert sind, so daß nur noch eine Entscheidung in der Sache möglich ist (vgl. Senat, Beschluß vom 28.04.2005 - 3 VAs 16/05 - m. w. N.; OLG Zweibrücken, Beschluß vom 09.07.1997 - 1 Ws 364/97 Vollz - , zit. nach juris).
III.
Auf der Grundlage dieses Prüfungsmaßstabs halten die angegriffenen Entscheidungen der Überprüfung, ob die Vollstreckungsbehörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, nicht stand.
Die Vollzugsbehörde hat zur Begründung der - hier als Hinderu...