Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich hat der Tatrichter die Einlassung des Angeklagten zum Schuldvorwurf in den Urteilsgründen erschöpfend aufzunehmen und zu würdigen. Ohne dies kann das Revisiongericht nicht erkennen, ob der Beurteilung des Sachverhalts rechtlich fehlerhafte Erwägungen zugrunde liegen.
Normenkette
StPO § 261
Verfahrensgang
AG Dillenburg (Entscheidung vom 11.09.2013; Aktenzeichen 3 Ls - 2 Js 61200/11) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Schöffengericht - Dillenburg zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Dillenburg hat die Angeklagte am 11.09.2013 wegen fahrlässiger Tötung verwarnt und die Festsetzung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,-- Euro vorbehalten.
Hiergegen wendet sich nunmehr die nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Sprungrevision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung auf die Sachrüge nicht stand. Ein Eingehen auf die Verfahrensrüge bedarf es somit nicht.
Das Amtsgericht hat zur Beweiswürdigung folgendes ausgeführt:
"Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassung der Angeklagten, sowie der Aussagen der Zeugen Z1, Z2 und Z3A, Z4, Z5, Z6, Z7, Z8, Z9, Z10, Z11, Z12, Z13, Z14, Z15, Z16, Z17, Z18, Z19, Z20, Z21, Z22A, Z23, Z24, Z25 und Z26, soweit ihren Aussagen jeweils gefolgt werden konnte sowie der Gutachten der Sachverständigen SV1, SV2, der SV3 und des Herrn SV4 sowie der in Augenschein genommenen Lichtbilder der Google-Map Höhenaufnahmen vom Auffindeort, der Google-Lichtbilder-Aufnahmen vom erweiterten Tatort, der Lichtbilder von der Bekleidung der Verstorbenen sowie des Sonderbandes Lichtbilder Obduktion, Tatort und Kuh Verona.
Abweichend vom festgestellten Sachverhalt hat der Zeuge Z11 bekundet, beim hier fraglichen Umtrieb habe er als Spaziergänger beobachtet, dass eine schwarze Kuh mit weißem Kälbchen der Herde nicht habe folgen könne und deshalb zurückgeblieben sei. Der Zeuge Z11, der auch nicht mehr genau zu sagen vermochte, wann er Kühe anderer Landwirte außerhalb deren Weidezäune gesehen habe, irrt aber zur Überzeugung des Gerichts. Der Angeklagten und deren Helfershelfern wäre es nicht entgangen, wenn die schwarzfarbige Verona zu Beginn des Umtriebs bereits das farblich sehr auffällige komplett weiße Kälbchen besessen hätte. Die Angeklagte und ihr Sohn Z22A hätten aufgrund ihrer Erfahrung mit neugeborenen Kälbern Verona und ihrem Kälbchen dann den Umtrieb gar nicht erst zugemutet. Verona hat ihr Kälbchen erst nach Absonderung von der Herde entweder noch in der Nacht zu Freitag, am Freitag oder aber spätestens am Samstag zur Welt gebracht. Gegen die Glaubhaftigkeit der Bekundung des Zeugen Z11 spricht ferner, dass dann das Kalb am Montagabend bereits mindestens vier Tage alt hätte gewesen sein müssen und dass dann bereits altersbedingt viel für ein Fluchtverhalten des Kälbchens gesprochen hätte, woran es wegen der erst später erfolgten Geburt aber noch gefehlt hat.
Abweichend vom festgestellten Sachverhalt hat der Zeuge Z21 bekundet, er sei sich ganz sicher, am Montag - zwei Wochen vor dem Unglück - d.h. am 15.08.2011, seine Herde zu seiner Wiese umgetrieben zu haben, auf der sich auch sein Hallen-Unterstand befindet. Am Dienstag, einen Tag später (16.08.2011) hätten die Z26/Z22 ihre direkt links neben ihm stehende Herde von der angrenzenden Weide "A" (vgl. Blatt 109 d.A.) umgetrieben. Bereits ab diesem Dienstagabend habe die trächtige Verona vor seiner umzäunten Weide jeweils abends und nachts außen am Zaun gelegen, während seine Kühe drinnen gelegen hätten. Am Dienstagabend, an dessen frühem Morgen Frau X gefunden worden ist, wären es zwei Wochen gewesen, dass die Kuh "Verona" außen vor dem Zaun lag. Das Kälbchen sei zu diesem Zeitpunkt ca. 3 Tage alt gewesen. Wegen des bereits erfolgten Umtriebs könne der übliche Weg für die Herde der Angeklagten nicht "zugekoppelt" gewesen sein. Er habe den Montag - nach Ende seines Umtriebes - den Weg wieder aufgemacht.
Der Zeuge Z21 hat seine Aussage zwar ohne jede Belastungstendenz in Abweichung zu den Angaben der Angeklagten gemacht und es erscheint für das Gericht ausgeschlossen, dass er vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Er muss sich aber fragen lassen, warum er sein Wissen trotz des Todes von Frau X nicht der Polizei, sondern nur dem Ortslandwirt, dem Zeugen Z8, mitgeteilt habe. Dieser hat im Übrigen von drei Wochen und nicht nur von zwei Wochen gesprochen. Ferner ist zu fragen, warum der Zeuge Z21 trotz der auch ihm bekannten Gefährlichkeit von Mutterkühen mit nur wenige Tage alten Kälbchen nicht die Angeklagte hinsichtlich des tagelangen Aufenthaltsortes ...