Leitsatz (amtlich)
1. Zur fehlenden Klageveranlassung, wenn der Gläubiger eines Schutzrechtsanspruchs das Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob in der einen Tag später stattfindenden Berufungsverhandlung im Eilverfahren die beantragte einstweilige Verfügung erlassen wird.
2. Keine analoge Anwendung des § 8 IV UWG bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen
Normenkette
BGB § 242; UWG § 8 Abs. 4; ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-6 O 32/06) |
Gründe
Die gem. § 99 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits gem. § 93 ZPO zu tragen, da die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und die Klageansprüche sofort anerkannt hat.
In Wettbewerbsstreitigkeiten sowie bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen gibt der Verletzer, gegen den bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt wurde, im Regelfall erst dann Anlass zur Erhebung der Hauptsacheklage, wenn er trotz entsprechender Aufforderung des Unterlassungsgläubigers (Abschlussschreiben) keine Abschlusserklärung abgibt.
Aus diesem Grundsatz allein kann im vorliegenden Fall die fehlende Klageveranlassung allerdings noch nicht entnommen werden. Denn die vom OLG Hamm am 19.1.2006 erlassene einstweilige Verfügung lag zwar vor der Zustellung der Klage (am 17.3.2006) vor, nicht aber bei Einreichung der Klage am 18.1.2006. Als "Erhebung der Klage" i.S.v. § 93 ZPO ist in Abgrenzung zu § 253 Abs. 1 ZPO bereits die insoweit maßgebende Handlung des Klägers, also die Einreichung der Klageschrift bei Gericht, anzusehen und nicht erst der in der Zustellung der Klageschrift liegende Erfolg dieser Handlung (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1884 f.; OLG Frankfurt, JurBüro 1989, 690 f.; OLG Braunschweig, OLGR 1996, 120; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 93 Rz. 3). Im Zeitpunkt der Klageerhebung war somit im Eilverfahren noch kein Verbot erlassen worden; dies geschah einen Tag später.
Die Klägerin war jedoch gehalten, die Entscheidung des OLG Hamm im Eilverfahren abzuwarten.
In Wettbewerbsstreitigkeiten nach dem UWG kann es sogar als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) gewertet werden, wenn der Unterlassungsgläubiger, ohne hierzu - etwa mit Blick auf den drohenden, auf andere Weise nicht zu verhindernden Eintritt der Verjährung - genötigt zu sein, neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (vgl. BGH v. 6.4.2000 - I ZR 76/98, MDR 2001, 227 = GRUR 2000, 1089, 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH v. 24.5.2000 - I ZR 222/97, MDR 2001, 163 = GRUR 2001, 78, 79 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH v. 6.4.2000 - I ZR 67/98, MDR 2001, 163 = GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I; BGH, GRUR 2002, 715, 716 - Scanner-Werbung; OLG Nürnberg, GRUR-RR 2004, 336).
Bei der Verfolgung von Schutzrechtsansprüchen ist § 8 Abs. 4 UWG zwar nicht, auch nicht analog, anwendbar. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch in diesem Bereich der allgemeine Grundsatz der Unzulässigkeit rechtsmissbräuchlichen Handelns gelten würde, wobei in der Anwendung dieses Grundsatzes auf den Einzelfall die von der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG entwickelten Beurteilungskriterien - unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Schutzrechtsinhabers - durchaus Beachtung finden können (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage, Kap. 13, Rz. 47a).
Im vorliegenden Fall stellt sich letztlich nicht die grundsätzliche Frage, ob die Klägerin das Klageverfahren parallel zum Eilverfahren betreiben konnte, ohne wegen dieser Vorgehensweise Rechtsnachteile befürchten zu müssen. Denn die entscheidende Besonderheit besteht hier darin, dass die Klägerin die Klage nur einen Tag vor der Berufungsverhandlung im Eilverfahren eingereicht hat. Durch eine solche, an Mutwilligkeit grenzende, Verfahrensgestaltung können die zur Notwendigkeit eines Abschlussschreibens entwickelten Grundsätze nicht umgangen werden.
In der Rechtsprechung ist bereits entschieden worden, dass der Unterlassungsgläubiger keine Veranlassung zur Klageerhebung hat, wenn wegen eines im Eilverfahren unmittelbar bevorstehenden Urteils eine Situation erwartet werden kann, die (erneut) Anlass gibt, den Schuldner zu einer Abschlusserklärung aufzufordern (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 1983, 568; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 346). In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall war der Gläubiger - anders als vorliegend die Klägerin - zwar schon durch eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung gesichert. Gleichwohl ist auch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch ein nur ganz kurzfristiges Zuwarten ein Nachteil hätte entstehen können. Selbst den damit verbundenen geringfügigen Zeitverlust im Hauptsacheverfahren hätte sie auffangen können, wenn sie d...