Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit der rechtlichen Vaterschaft bei im Ausland durchgeführter, in Deutschland unzulässiger Embryonenspende
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anfechtungssperre des § 1600 Abs. 4 BGB greift auch im Fall einer Zeugung durch Embryonentransfer ein, da die Vorschrift auf alle Methoden der Zeugung, die unter Zuhilfenahme technischer Hilfen erfolgen, anwendbar ist.
2. Das gilt wegen des zentral geschützten Kindeswohls auch dann, wenn es sich um einen in Deutschland untersagten Embryonentransfer handelt.
3. Zu der Frage, unter welchen Umständen die Geltungsdauer einer Einwilligung des Mannes in eine assistierte Reproduktion als zeitlich begrenzt oder unbefristet angesehen werden kann, wenn die rechtlichen Eltern des Kindes sich nach Abgabe der Einwilligungserklärung getrennt haben.
Normenkette
BGB § 1600
Verfahrensgang
AG Bad Hersfeld (Entscheidung vom 10.03.2016; Aktenzeichen 63 F 555/14 AB) |
Tenor
Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Hersfeld vom 10.3.2016 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller und die Beteiligte zu 1. hälftig zu tragen, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Mutter des Kindes A, geboren am XX.XX.2013, waren seit dem XX.XX.2002 verheiratet. Sie trennten sich im August 2011 und ihre Ehe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Hersfeld vom XX.XX.2014 (.../13) geschieden. Der Antragsteller besitzt die marokkanische und die deutsche Staatsangehörigkeit, das betroffene Kind und die Kindesmutter sind Deutsche.
Der Antragsteller und die Kindesmutter sind nicht die genetischen Eltern des am XX.XX.2013 geborenen, betroffenen Kindes, denn dieses wurde durch künstliche Befruchtung in Form eines Embryonentransfers gezeugt. Samen und Eizelle stammten von dritten Personen ab. Der Embryo wurde der Kindesmutter in Tschechien eingepflanzt, sie trug das Kind aus und hat es auch geboren.
Die geschiedenen Eheleute hatten sich bereits im Jahr 2008 zu einer künstlichen heterologen Insemination bei dem Kinderwunschzentrum Stadt1 entschlossen. Mit notarieller Vereinbarung vom 27.10.2008, die von dem Kinderwunschzentrum initiiert worden war, erklärten sich die früheren Eheleute mit einer heterologen Insemination einverstanden, der Antragsteller hatte ausdrücklich erklärt, dass er das so gezeugte Kind wie sein eigenes behandeln werde und sich entsprechend verpflichtet, den gesetzlichen Unterhalt zu zahlen. Nach der notariellen Urkunde wurde im Rahmen der Erörterungen bei dem Notar auch die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers für den Antragsteller angesprochen, was sowohl vom Antragsteller als auch von dem beurkundenden Notar für entbehrlich gehalten wurde, da der Antragsteller nach übereinstimmender Einschätzung über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte.
Nachdem die Insemination in Stadt1 nicht mehr erfolgversprechend schien, nahm die 1966 geborene Kindesmutter Ende 2010 Kontakt zu X, einem Zentrum für assistierte Reproduktion in Tschechien auf, um ein Kind mit Hilfe eines Embryonentransfers zu empfangen. Grundlage der geplanten künstlichen Befruchtung in der Klinik in Tschechien war ein ebenfalls von beiden Eltern unterzeichneter Antrag vom 10.1.2011, worin diese das Zentrum für assistierte Reproduktion um Heilung der Sterilität unter Anwendung gespendeter Embryonen ersuchten. Die Unterschriftsleistungen unter diesem Antrag wurden notariell beurkundet, ohne dass der Inhalt des Antrags seitens des Notars mit den Beteiligten weiter erörtert worden war. Der erste Befruchtungsversuch im März 2011 war nicht erfolgreich. Eine weitere Schwangerschaft der Kindesmutter nach einem Embryonentransfer im Mai 2012 endete vorzeitig. Erst der dritte Befruchtungsversuch im Oktober 2012 führte schließlich zur Geburt des betroffenen Kindes. Zu jedem einzelnen Befruchtungsvorgang musste erneut ein Antrag der Wunscheltern bei dem Zentrum für assistierte Reproduktion gestellt werden, entsprechende Antragsformulare, die Unterschriften des Antragstellers und der Kindesmutter zeigten, wurden - wie die Kindesmutter erst im Beschwerdeverfahren angegeben hat - dem Zentrum im Januar 2012 und im August 2012 übersandt. Eine erneute notarielle Beurkundung der jeweiligen Unterschriften erfolgte nicht.
Im hiesigen Verfahren beantragte der Antragsteller am 23.7.2014, festzustellen, dass er nicht der Vater des am XX.XX.2013 geborenen Kindes A sei. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens behauptete der Antragsteller, dass er sich zu keiner Zeit darüber im Klaren gewesen sei, dass er eine Zustimmung zur künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau abgegeben habe. Er verfüge nicht über hinreichende Deutschkenntnisse und habe daher nicht verstanden, dass es sich bei den von ihm unterzeichneten Vereinbarungen um eine künstliche Befruchtung gehandelt habe. Es habe auch ...