Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch des verurteilten Straftäters auf Berichtersattung im Internet.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 505/06) |
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von den Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung die strafbewehrte Unterlassung, Bildnisse von ihm ohne seine Zustimmung im Zusammenhang mit dem Mord an A öffentlich zugänglich zu machen sowie über ihn im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender Weise, insbesondere bei voller Namensnennung, zu berichten.
Er nimmt dabei Bezug auf einen über die angeblich von beiden Antragsgegnerinnen verantwortete Internetseite "www...." aufgerufenen Artikel vom 1.12.2005, in dem über ein Buch berichtet wird, das sich mit dem Antragsteller beschäftigt.
Das LG hat den Antrag u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, bei dem angegriffenen Artikel handele es sich um eine ursprünglich zulässige Berichterstattung. Das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers werde nicht dadurch verletzt, dass der Artikel noch im Juli 2006 im Internet abrufbar war. Die Antragsgegnerin sei zu einer Entfernung des Artikels nicht verpflichtet. Zum einen liege die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers erst 6 Jahre zurück; zum anderen müsse die Antragsgegnerin nicht ständig ihre Archive kontrollieren. Im Übrigen greife auch der vom BVerfG hervorgehobene Schutzgedanke der Resozialisierung bei dem zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten Antragsteller nicht.
Gegen diesen ihm am 2.8.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Er steht weiterhin auf dem Standpunkt, eine identifizierende Berichterstattung sei nicht mehr zulässig; es bestünde die konkrete Gefahr, dass über ihn zeitlich unbegrenzt berichtet werde. Auch gelte keine "Archivausnahme".
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung verneint. In dem von dem Antragsteller beispielhaft herangezogenen, in der Serie "..." veröffentlichten Artikel "..." vom 1.12.2005 wird über eine Darstellung der Verbrecherlaufbahn des Antragstellers berichtet, die der Journalist B in einer ... Sammlung berühmter Kriminalfälle herausgegeben hat. Er zeigt zudem ein Bild des Antragstellers, das während des Gerichtsverfahrens entstanden ist.
Das LG geht zutreffend davon aus, dass sowohl die Veröffentlichung des Bildes als auch die Namensnennung im Zeitpunkt der Entstehung des Berichts zulässig war.
Zwar gewinnt nach der Lebach-Entscheidung des BVerfG (BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff.) das Recht des Straftäters darauf, "allein gelassen zu werden", nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses grundsätzlich zunehmend an Gewicht und setzt dem Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. Diese zeitliche Grenze ist jedoch nicht einheitlich fixiert, sondern muss in jedem Einzelfall gesondert ermittelt werden.
Das von dem Antragsteller begangene Verbrechen gehört aufgrund der Persönlichkeit des Täters und des Opfers, der vorangegangenen kriminellen Karriere des Antragstellers, die bereits einmal die Familie des Opfers getroffen hatte, der besonderen Brutalität der Tat, der Verstrickung seines Sohnes und nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens des Antragstellers vor Gericht zu den spektakulären Kriminalfällen der jüngeren Geschichte. Vor diesem Hintergrund war es nicht zu beanstanden, dass der Art. 5 Jahre nach Rechtskraft des Urteils über den Antragsteller noch mit voller Namensnennung berichtet hat.
Gleiches gilt für die Veröffentlichung des Fotos, das während des Strafverfahrens gemacht wurde und das für die Öffentlichkeit untrennbar mit der Tat verbunden ist (vgl. insoweit OLG Hamburg v. 6.3.1986 - 3 U 187/85, AfP 1987, 518). Im Übrigen erfolgte der Bericht auch nicht ohne Anlass, sondern beruhte - entsprechend seinem Inhalt - auf einer Buchpräsentation, die sich mit der Verbrecherlaufbahn des Antragstellers beschäftigte.
Dass auf den Artikel vom 1.12.2005 auch noch im Juli 2006 über die Internetseite der Antragsgegnerinnen zugegriffen werden konnte, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG nicht dazu, dass den Antragsgegnerinnen untersagt werden könnte, über ihn wie aus dem Artikel ersichtlich zu berichten bzw. sein Bildnis zu zeigen. In seinem Lebach-Urteil hat das BVerfG (BVerfGE a.a.O.) entschieden, dass eine spätere Berichterstattung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, ggü. der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederu...