Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch des verurteilten Straftäters auf Berichterstattung im Internet.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 492/06) |
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die strafbewehrte Unterlassung, über ihn im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender Weise, insbesondere bei voller Namensnennung, zu berichten. Er nimmt dabei Bezug auf einen über die von der Antragsgegnerin verantwortete Internetseite "www..." aufgerufenen Artikel vom 9.4.2003, in dem er namentlich erwähnt wird.
Das LG hat den Antrag u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, bei dem angegriffenen Artikel handele es sich um eine ursprünglich zulässige Berichterstattung. Das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers werde nicht dadurch verletzt, dass der Artikel aus dem Jahr 2003 noch im Juli 2006 im Internet abrufbar war. Die Antragsgegnerin sei zu einer Entfernung des Artikels nicht verpflichtet. Zum einen liege die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers erst 6 Jahre zurück; zum anderen müsse die Antragsgegnerin nicht ständig ihre Archive kontrollieren. Im Übrigen greife auch der vom BVerfG hervorgehobene Schutzgedanke der Resozialisierung bei dem zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten Antragsteller nicht.
Gegen diesen ihm am 7.8.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 7.8.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Er steht weiterhin auf dem Standpunkt, eine identifizierende Berichterstattung sei nicht mehr zulässig; es bestünde die konkrete Gefahr, dass über ihn zeitlich unbegrenzt berichtet werde. Auch gelte keine "Archivausnahme".
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung verneint.
In dem von dem Antragsteller beispielhaft herangezogenen Artikel "..." vom 9.4.2003 wird im Zusammenhang mit dem Prozess um den Mord an B darauf hingewiesen, dass sich im Schwurgerichtssaal... des LG... bereits der Antragsteller habe verantworten müssen, wobei die Anklage damals auf Mord und erpresserischen Menschenraub gelautet habe.
Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass es sich angesichts des besonders spektakulären Strafverfahrens gegen den Antragsteller und der seit Rechtskraft des Urteils ergangenen Zeitspanne von lediglich 3 Jahren zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels noch um eine zulässige Berichterstattung gehandelt hat. Das gilt um so mehr, als der Antragsteller in dem Artikel nicht im Mittelpunkt des Interesses steht, sondern lediglich am Rande erwähnt wird.
Dass auf diesen Artikel auch noch im Juli 2006 über die Internetseite der Antragsgegnerin zugegriffen werden konnte, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG nicht dazu, dass der Antragsgegnerin untersagt werden könnte, über ihn wie aus dem Artikel ersichtlich zu berichten. In seinem sog. Lebach-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass eine spätere Berichterstattung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, ggü. der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu gefährden (BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff.).
Von einer solchen späteren Berichterstattung, die zu einer neuen oder zusätzlichen Beeinträchtigung des Antragstellers führen würde, kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Die Antragsgegnerin hat weder erneut einen Artikel über den Antragsteller in das Internet eingestellt noch sonst aktuell auf den alten Artikel Bezug genommen. Sie hat lediglich - ihrer Aufgabe als Archivarin der... Zeitung entsprechend - den ursprünglich in der gedruckten Ausgabe der... enthaltenen Artikel in das Onlinearchiv gestellt und ihn damit der interessierten Öffentlichkeit, die eine entsprechende Recherche betreibt, zur Verfügung gestellt. Dementsprechend fehlt es an einer aktuellen Berichterstattung.
Letztlich begehrt der Antragsteller die Löschung eines ursprünglich zulässigen Artikels in einem Archiv. Darauf hat er aber keinen Anspruch. Allein durch die Bereithaltung eines zu einem früheren Zeitpunkt erschienen, zulässigen Artikels in einem Archiv wird der Betroffene nicht erneut "an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt", da sich der Äußerungsgehalt lediglich in einem Hinweis auf eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpft (vgl. KG, Beschl. v. 19.10.2001 - 9 W 132/01, KGReport Berlin 2002, 341). Dies gilt um so mehr, als der Artikel nicht ohne Weiteres zugänglich ist; der interessierte Nutzer muss vielmehr konkret danach suchen - sei es über die Suchfunktion auf der homepage der Antragsgegnerin oder über eine Suchmaschine wie google. Dabei spielt es k...