Entscheidungsstichwort (Thema)
Löschungsanspruch eines strafunmündigen Kindes bezogen auf zum Zwecke der Vorgangsverwaltung gespeicherte Daten
Leitsatz (amtlich)
Bei erkennbar und unzweifelhaft strafunmündigen Kindern, die als Einzeltäter ohne Beteiligung strafmündiger Personen eines Vergehens (Bedrohung) beschuldigt werden, kann im Einzelfall ein Löschungsanspruch auch hinsichtlich der von der Strafverfolgungsbehörde noch zum Zwecke der Vorgangsverwaltung gespeicherten Daten bestehen.
Normenkette
EGGVG § 23; StPO §§ 483, 485, 489; BDSG § 75 Abs. 2
Verfahrensgang
GStA Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.08.2022; Aktenzeichen 1 RWs 14/22 DatSch) |
GStA Frankfurt am Main (Entscheidung vom 13.07.2022; Aktenzeichen 1 RWs 14/22 DatSch) |
Tenor
Nach Rücknahme der sich auf das Ermittlungsverfahren StA Frankfurt am Main Az: … beziehenden Antragstellung hat der Antragsteller insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert wird insoweit auf 1.250,-- € festgesetzt.
Die Bescheide der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Der Leitende Oberstaatsanwalt - vom 13. Juli 2022 und 5. August 2022 werden insoweit aufgehoben, als sie eine vollständige Löschung der hinsichtlich der Person des Antragstellers gespeicherten Daten bezogen auf das Ermittlungsverfahren Az. … ablehnen.
Die Staatsanwaltschaft wird verpflichtet, auch die zur Vorgangsverwaltung gespeicherten Daten über die Person des Antragstellers bezogen auf das Ermittlungsverfahren StA Frankfurt am Main Az: … zu löschen.
Insoweit wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Gegenstandswert wird insoweit auf 1.250,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seinem verbleibenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrt der minderjährige Antragssteller die Aufhebung der Bescheide der Staatsanwaltschaft Frankfurt - Der leitende Oberstaatsanwalt - vom 13. Juli 2022 und 5. August 2022 sowie die Löschung seiner noch zur Vorgangsverwaltung gespeicherten personenbezogenen Daten zu dem Ermittlungsverfahren der StA Frankfurt am Main Az: … im Verfahrensregister MESTA.
Dieses Ermittlungsverfahren wurde allein gegen den Antragssteller wegen des Verdachts der Bedrohung eines Mitschülers eingeleitet, nachdem die Mutter des Geschädigten Strafanzeige auf dem … Polizeirevier Stadtteil1, Stadt1, gestellt hatte (Az: StA Frankfurt …). Dem damals 13 Jahre alten Antragsteller wurde darin vorgeworfen, am 5. September 2020 an den Mitschüler bedrohliche Text- und Sprachnachrichten („geh zur Polizei du stirbst“) versandt zu haben. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 19. Januar 2022 wegen Strafunmündigkeit gemäß § 170 Abs.2 StPO eingestellt. Die Frage, ob Mitteilungspflichten, insbesondere zur Abwendung von Kindeswohlgefährdungen, bestehen, oder ob gegen Aufsichtspflichtige einzuschreiten ist (Nr. 35 MiStra) wurde dabei von der zuständigen Dezernentin der Staatsanwaltschaft geprüft; es erfolgte eine Mitteilung an das Stadtjugendamt. Von Mitteilungen an das Familiengericht wurde jedoch ausdrücklich abgesehen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Juni 2022 hat der Antragssteller beantragt, sämtliche personenbezogene Daten dieses Verfahrens zu löschen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt - Der leitende Oberstaatsanwalt - hat mit den angegriffenen Bescheiden vom 13. Juli 2022 und 5. August 2022 zwar die Löschung des bei der Registrierung des Verfahren erfassten Delikts und des Sachgebietes angekündigt (und mittlerweile auch vorgenommen), den weitergehenden Antrag mit dem Hinweis auf die Zulässigkeit der Datenspeicherung im Hinblick auf eine Vorgangsverwaltung für die Dauer der Aufbewahrungsfristen von 5 Jahren aber zurückgewiesen,
Der Antragssteller ist der Ansicht, die Speicherung der Daten sei insgesamt unzulässig und es bestünde ein Löschungsanspruch. Seine Daten seien unrechtmäßig erhoben und gespeichert worden, da ein Kind kein Beschuldigter sein könne.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
Der Antrag nach §§ 23 ff EGGVG ist das statthafte Rechtsmittel, da er sich gegen die Bescheide vom 13. Juli 2022 und 5. August 2022, mit denen eine Löschung der zur Vorgangverwaltung gespeicherten Daten bezogen auf das Ermittlungsverfahren StA Frankfurt am Main Az: … zurückgewiesen wurde, richtet.
Bei der Ablehnung eines Antrages auf Löschung der in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (§ 483 StPO) gespeicherten Daten und Vernichtung der Akten handelt es sich um eine Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege trifft. Die angegriffenen Bescheide sind daher als sogenannter Justizverwaltungsakt im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG justiziabel (Senat, Beschluss vom 20. Juli 2010 - Az.: 3 VAs 19/10 m. w. Nachw., Meyer-Goßner/Schmitt-Köhler StPO 65. Aufl. 2022 § 489 Rdnr. 9, vgl. auch BeckOK StPO/Wittig 45. Edition 1.10.2022 StPO § 489 Rdnr.13, OLG Brandenburg Beschluss vom 4. November 2014 - 2 VAs 2/13 Rdnr.8 zitiert über J...