Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache entstandenen Kosten
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten der Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache auf der Beklagtenseite können auch dann im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 140 Abs. 3 MarkenG a.F./§ 140 Abs. 4 MarkenG n.F. (BGH, Beschluss vom 13.10.2022 - I ZB 59/19, juris - Kosten des Patentanwalts VII) notwendig und nach § 143 Abs. 3 PatG zu erstatten sein, wenn die patentanwaltlichen Leistungen letztlich nichts zum Erfolg der Rechtsverteidigung beigetragen haben.
Normenkette
MarkenG § 140 Abs. 3-4; PatG § 143 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.05.2023; Aktenzeichen 2-06 O 44/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.05.2023 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.04.2023, Az. 2-06 O 44/22, teilweise abgeändert und der Tenor klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
"Auf Grund des gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.11.2022 sind von der Klägerseite an Kosten
6.435 Euro (i.W. Sechstausendvierhundertfünfunddreißig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2023
an die Beklagtenseite zu erstatten."
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.217,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit von Patentanwaltskosten in einer Patentstreitsache.
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP ..., das (u.a.) in der Bundesrepublik Deutschland Schutz genießt (nachfolgend: Klagepatent). Patentanspruch 1 des Klagepatents betrifft einen Pflasterspender mit Pflastern, der nach der Patentschrift dazu dient, dem Spender mit einer Hand ein Pflaster zu entnehmen und dieses ohne Zuhilfenahme der anderen Hand auf eine Wunde aufzubringen (vgl. Abs. 6 der Patentschrift).
Die Klägerin erteilte einem schwedischen Unternehmen eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent. Dabei blieben ihr die ausschließlichen Vertriebsrechte für Deutschland, Österreich und die Schweiz vorbehalten.
Die Beklagte mit Sitz in Deutschland bot auf ihrer deutschsprachigen Internetseite Pflaster mit der Marke des schwedischen Unternehmens an (Anlage K5, GA 42).
Auf Berechtigungsanfrage der Klägerin (Anlage K7, GA 44 f.) teilte die Beklagte dieser mit, sie beziehe das Originalprodukt von einem Händler aus einem EU-Staat, der Mitglied des Europäischen Patentübereinkommens sei. Daher sei aus ihrer Sicht Erschöpfung eingetreten. Außerdem bestritt sie, dass das von ihr vertriebene Produkt unter das Klagepatent falle (Anlage K8, GA 46 f.).
Die Parteien stritten in der Folgezeit über die Frage der Erschöpfung.
Mit der streitgegenständlichen Klage hat die Klägerin die Beklagte wegen wortsinngemäßer Verletzung von Patentanspruch 1 auf Unterlassung in Anspruch genommen und Annexansprüche geltend gemacht (vgl. die Klageschrift nebst Anlagen [GA 2 ff.] sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 14.02.2022 [GA 59 ff.]).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, ohne dabei schriftsätzlich die Mitwirkung eines Patentanwalts anzuzeigen. Sie hat "letztlich" dahingestellt sein lassen, ob die beanstandeten Produkte das Klagepatent verletzen, eine patentverletzende Handlung substantiiert dargetan und das Klagepatent rechtsbeständig sei, da an den durch das schwedische Unternehmen in einer Fabrik in Spanien hergestellten, von dort in ein Warenlager nach Polen gebrachten und von ihr von einem polnischen Unternehmen erworbenen Originalprodukten Erschöpfung eintreten sei (GA 87 ff., 109 ff.).
Die Parteien haben erstinstanzlich ausschließlich über die Frage der Erschöpfung gestritten.
Das Landgericht hat die Klage im Anschluss an die mündliche Verhandlung, an der für die Beklagte neben einem Rechtsanwalt auch Patentanwalt X ("X") teilgenommen hat (GA 161), mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die streitgegenständlichen Waren erstmals außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden seien (GA 168 ff.).
Mit Schriftsatz vom 23.02.2023 hat die Beklagte - ausgehend von der Kostengrundentscheidung zu Lasten der Klägerin und dem vom Landgericht festgesetzten Streitwert von 50.000 Euro (GA 173) - Kostenfestsetzung in Höhe von jeweils 3.217,50 Euro für Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgebühren (jeweils 1,3-Verfahrensgebühr, 1,2-Terminsgebühr und 20 Euro Kostenpauschale) beantragt (GA 181). Sie hat geltend gemacht die Mitwirkung eines Patentanwalts sei angezeigt gewesen, da sie zunächst habe prüfen müssen, ob die angegriffene Ausführungsform von dem Patentanspruch Gebrauch mache und ob das Klagepatent rechtsbeständig sei. Daran habe Patentanwalt X umfang...