Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensentscheidung nach § 124 Nr. 3 ZPO
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 3 ZPO ist eine Ermessensentscheidung zu treffen, in deren Rahmen auch das schutzwürdige Vertrauen der Partei auf den Bestand der einmal ergangenen PKH-Bewilligung zu berücksichtigen ist.
Normenkette
ZPO § 124 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Seligenstadt (Aktenzeichen 1 F 357/94) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Es verbleibt bei der dem Kläger mit Beschl. v. 18.4.1995 bewilligten und mit Beschlüssen vom 16.6.1996 und 16.12.1996 erweiterten Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug.
Gründe
Die dem Kläger zunächst für die Auskunftsstufe bewilligte Prozesskostenhilfe hat das AG mit Beschl. v. 16.10.1996 auf die mit Schriftsatz vom 17.7.1996 erhobene Zahlungsklage über einen Betrag von 1.262.757,65 DM erweitert.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die dem Kläger für den ersten Rechtszug bewilligte Prozesskostenhilfe gem. § 124 ZPO aufgehoben, da bei Prozessbeginn Mittel vorhanden gewesen seien und hätten zurückgelegt werden müssen, um den Prozess durchführen zu können. Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen hätten, sei die bewilligte Prozesskostenhilfe somit aufzuheben.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Für die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe stützt sich das AG ersichtlich nicht auf § 124 Nr. 2 ZPO. Jedenfalls fehlen insoweit jegliche Feststellungen darüber, dass der Kläger vor der seinerzeitigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht abgegeben hätte.
Die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe kann aber auch nicht auf § 124 Nr. 3 ZPO gestützt werden. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung erfolgen, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben. Insoweit kann sich das AG nicht ohne weiteres auf den Senatsbeschluss vom 27.12.1999 berufen, mit dem der Antrag des Klägers zurückgewiesen worden ist, ihm für die Berufung gegen das im Hauptverfahren ergangenen Urteil des AG vom 23.3.1999 Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Maßstab für die Entscheidung des Senats war seinerzeit, dass der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hatte, dass er außer Stande sei, die Kosten des beabsichtigten Rechtsmittels selbst vorzuschießen. Diese Entscheidung des Senats stellte auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren ab, also auf das Ende des Jahres 1999, wobei der Senat auch Provisionseinkünfte des Klägers im Jahr 1996 berücksichtigt hatte. Bei der Prüfung, ob die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfebewilligung vorgelegen haben, darf jedoch nur die Zeit vor Bewilligung berücksichtigt werden (vgl.: Zöller/Philippi, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl. 2001, § 124 Rz. 15).
Im vorliegenden Fall hat es bei der dem Kläger bewilligten Prozesskostenhilfe zu verbleiben.
Der Rechtspfleger hat hier eine nach § 124 Nr. 3 ZPO zu treffende Ermessensentscheidung nicht vorgenommen. In deren Rahmen war zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang ein Verschulden des Klägers bei der irrtümlichen Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfebewilligung vorgelegen hat (vgl.: Zöller/Philippi, Kommentar zu ZPO, 22. Aufl. 2001, § 124 Rz. 12 m.w.N.). Insoweit ist hier zu beachten, dass der Kläger vor der am 18.4.1995 erfolgten Bewilligung der Prozesskostenhilfe zwei Erklärungsformulare über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Einkommenssteuerbescheid für 1993 zu den Akten gereicht und dabei angegeben hat, dass er als freier Handelsvertreter tätig sei und einen ihm von seinem Vater leihweise überlassen Mercedes Baujahr 1990 besitze. Diese Angaben, die den Senat -unter anderem- zu weiteren Nachfragen und Aufklärungsmaßnahmen bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vor Erlass des die Prozesskostenhilfe für die Berufung verweigernden Beschlusses veranlasst haben, hat das AG seinerzeit zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe ausreichen lassen.
Darüber hinaus ist angesichts des Streitwerts der vom Kläger erhobenen Zahlungs-klage von über 1,2 Millionen DM bei der nach § 124 Nr. 3 ZPO anzustellenden Ermessensausübung das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand der einmal ergangenen Prozesskostenhilfebewilligung in besonderem Maß zu berücksichtigen.
Soweit das AG, was aus dem angefochtenen Beschluss nicht klar erkennbar ist, die Aufhebung der Prozesskostenhilfe lediglich auf eine andere rechtliche Beurteilung bereits früher bekannter Umstände stützen will, rechtfertigt dies nicht die Aufhebung der einmal bewilligten Prozesskostenhilfe. Denn das Gericht darf aus Gründen des Vertrauensschutzes die ihm bekannten und...