Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Änderbarkeit der Gemeinschaftsordnung

 

Verfahrensgang

AG Gelnhausen (Aktenzeichen UR II 10/82)

LG Hanau (Aktenzeichen 3 T 233/83)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Gelnhausen vom 11.8.1983 werden aufgehoben.

Der Eigentümerbeschluß vom 9.11.1982 ist ungültig.

Die Gerichtskosten aller Instanzen werden geteilt; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: 3.000,– DM.

 

Gründe

Die Gemeinschaftsordnung (GemO) der Beteiligten sieht einmal vor, daß jeder Wohnungseigentümer sich in der Versammlung vertreten lassen kann, und zum anderen, daß die GemO mit der qualifizierten Mehrheit von 3/4 der Miteigentumsanteile abgeändert werden kann. Am 9.11.1982 haben die Wohnungseigentümer mit der danach erforderlichen Mehrheit beschlossen, die GemO dahin abzuändern, daß die Vertretung in der Versammlung nur durch Ehegatten oder einen anderen Miteigentümer erfolgen dürfe. Die Antragsteller haben diesen Eigentümerbeschluß angefochten. Amtsgericht (Beschluß vom 11.8.1983) und Landgericht (Beschluß vom 29.9.1983) haben den Anfechtungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

Die zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind nicht rechtsfehlerfrei ergangen. Amts- und Landgericht haben übersehen, daß die GemO nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer geändert werden kann. Zwar wird in der Literatur (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 43. Auflage, § 10 WEG Anm. 2a; Weitnauer, WEG, 6. Auflage, § 10 Rdnr. 17 c; Soergel-Baur, BGB, 11. Auflage, § 10 WEG Rdnr. 10; Münchener-Kommentar-Röll, § 10 WEG Rdnr. 22; Bärmann-Pick-Merle, WEG, 5. Auflage, § 10 Rdnr. 54; Deckert, Die Eigentumswohnung, 2/45) die Auffassung vertreten, die GemO könne vorsehen, daß ihre Änderung durch Mehrheitsbeschluß zulässig sei. Aber schon hier werden wegen des grundsätzlich bestehenden Einstimmigkeitsprinzips (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 79, 109; Bay ObLG Rpfleger 79, 216) äußerste Zurückhaltung empfohlen (Weitnauer, a.a.O.), hohe und doppelte Qualifikationen verlangt (Röll, a.a.O.) und eine allgemeine Ermächtigung – wie im vorliegenden Fall – für unzulässig gehalten (Bärmann-Pick-Merle, a.a.O.).

Diese Bedenken hat das OLG Köln (Rpfleger 82, 278) aufgegriffen und mit überzeugender Begründung, der der Senat folgt, festgestellt, daß das Einstimmigkeitsprinzip hier nicht der Vertragsfreiheit der Wohnungseigentümer unterliegt. Der Teil der GemO der Beteiligten, der die Änderung derselben durch Mehrheitsbeschluß vorsieht, ist daher wegen Verstoßes gegen § 10 WEG nichtig (§ 134 BGB), und der auf dieser Grundlage ergangene Eigentümerbeschluß vom 9.11.1982 war daher mangels Einstimmigkeit und wegen des Widerspruchs gegen die GemO auf die rechtzeitige Anfechtung hin für ungültig zu erklären.

Soweit damit die Frage der Zulässigkeit der Beschränkung des Vertretungsrechts (vgl. OLG Karlsruhe OLG Z 76, 273; OLG Frankfurt OLG Z 79, 134) nicht entschieden werden mußte, müssen die Antragsgegner ihr Anliegen, eine freie Vertretung auszuschließen, nicht aufgeben. Der Senat hat schon in seinem Beschluß 20 W 531/78 vom 19.9.1978 (= Rpfleger 79, 109) ausgeführt, daß dann, wenn Treu und Glauben, insbesondere Treuepflichten aus der Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Mitwirkung gebieten, ein Anspruch der Mehrheit auf Zustimmung zur Vereinbarung gegeben ist, der beim Amtsgericht nach § 43 WEG geltend gemacht werden kann (vgl. auch OLG Köln, a.a.O.; Weitnauer, a.a.O., § 10 Rdnr. 17 d; Bärmann-Pick-Merle, a.a.O. § 10 Rdnr. 36; Tasche DNotZ 73, 453, 464). Dabei wird zu beachten sein, daß die Beschränkung des Vertretungsrechts auf den Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer zwar grundsätzlich zulässig ist (vgl. OLG Karlsruhe OLG Z 76, 273; Bay ObLG Rpfleger 82, 15), im – zu unternehmenden – Einzelfall aber unzumutbar sein kann, wenn der zu Vertretende in seiner Mitwirkung behindert wäre (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).

Weil die Beteiligten im wesentlichen nur um Rechtsfragen gestritten haben, erschien es billig, die Gerichtskosten aller Instanzen zu teilen und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).

Die Wertfestsetzung erfolgte nach § 48 II WEG.

 

Fundstellen

OLGZ 1984, 146

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