Leitsatz (amtlich)
Der inländische Versorgungsausgleich kann bei einer Auslandsscheidung nachträglich durchgeführt werden, wenn nach dem Scheidungsfolgenstatut deutsches Recht Anwendung findet.
Der nach deutschem Kollisionsrecht durchzuführende Versorgungsausgleich setzt - mit Ausnahme der im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO getroffenen und der Heimatstaatentscheidungen des § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG - die vorherige Anerkennung der ausländischen Ehescheidung im Inland nach § 107 FamFG voraus.
Bei Doppelstaatlern (hier deutsch und tunesisch) liegt grundsätzlich keine Heimatstaatentscheidung iSv. § 107 Abs. 1 S. 2 vor; ein von einem der Eheleute vor Anerkennung der Auslandsentscheidung gestellter Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ist daher unzulässig.
Normenkette
EGBGB § 17 Abs. 4 S. 1; FamFG § 107 Abs. 1 S. 2; VersAusglG § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 401 F 1101/19) |
Tenor
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung zur Hauptsache abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Im Übrigen bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 1 000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten, gebürtige Tunesier, streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei der Scheidung. Sie heirateten ... 1973 in Tunesien, wanderten nach Deutschland aus und erwarben 1995 die deutsche Staatsangehörigkeit.
2018 leitete der Antragsgegner in Tunesien ein Ehescheidungsverfahren ein. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Antragstellerin in Tunesien Berufung ein. Ob das Verfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen wurde, ist ungewiss. Jedenfalls ist in Deutschland bislang keine Anerkennung der Entscheidung erfolgt.
Die Antragstellerin begehrt "unabhängig davon, ob der Antragsgegner den Fragebogen zum Versorgungsausgleich einreicht oder nicht", die gerichtliche Klärung des Versorgungsausgleichs bei den Versorgungsträgern des Antragsgegners. Sie ist der Ansicht, ein Versorgungsausgleich könne bei deutschen Staatsangehörigen auch dann durchgeführt werden, während die Auslandsscheidung noch betrieben werde. Erstinstanzlich beantragte sie,
die von den Beteiligten in der Ehezeit erworbenen Anrechte zur Altersversorgung werden jeweils zur Hälfte zwischen Ihnen geteilt.
Der Antragsgegner hat sich erstinstanzlich nicht zur Sache eingelassen.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 13.09.2019 wies das Familiengericht den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zurück und begründete dies im Wesentlichen mit der Erwägung, die Ehe der Beteiligten sei noch nicht rechtskräftig geschieden und deshalb ein Wertausgleich anlässlich der Scheidung nach § 9 Abs. 1 VersAusglG nicht möglich. Auch könne kein Auskunftsverfahren nach § 220 FamFG betrieben werden, weil dieses den gleichen Voraussetzungen wie der Versorgungsausgleich selbst unterliege. Im Übrigen sei es nicht möglich, das deutsche Auskunftsverfahren mit einem im Ausland anhängigen Scheidungsverfahren zu kombinieren.
Gegen den ihr am 30.09.2019 zugestellten Beschluss legte die Antragstellerin mit am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 28.10.2019 Beschwerde mit dem Antrag ein, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die von den Beteiligten in der Ehezeit erworbenen Anteile an Anrechten zur Altersversorgung hälftig zu teilen.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vertritt sie zur Begründung die Auffassung, der Begriff "Wertausgleich bei Scheidung" in § 9 Abs. 1 VersAusglG sei unscharf formuliert. Es gebe keine Regelung zu der Frage, ob ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs erst nach rechtskräftigem Abschluss eines ausländischen Scheidungsverfahrens in Deutschland anhängig oder rechtshängig gemacht werden könne. Es bestehe auch keine Veranlassung, einen deutschen Ehegatten, dessen Ehe auf Antrag seines Partners im Ausland geschieden werde, verfahrenstechnisch schlechter zu stellen als einen deutschen Ehegatten, dessen Ehe in Deutschland im Verbundverfahren unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs geschieden werde.
Der Senat hat den Beteiligten durch den Berichterstatter am 20.01.2020 folgenden Hinweis erteilt:
"Nach Beratung des Senats werden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin in der Sache auch im Lichte des Beschwerdevorbringens ohne Erfolg bleiben dürfte. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist erst möglich, wenn die Landesjustizverwaltung im Verfahren nach § 107 FamFG festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der ausländischen Ehescheidung vorliegen (vgl. MüKoBGB/Siede VersAusglG § 2 Rn. 38; Wick, Versorgungsausgleich, 4. A., B., Rn. 69). Da die tunesische Ehescheidung bislang noch nicht einmal rechtskräftig, geschweige denn im Inland anerkannt ist, kann der Versorgungsausgleich ...