Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Leitsatz (amtlich)
Das schlichte Nichtabholen bei der Post zur Abholung bereitliegender Sendungen stellt im Anwendungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung dar.
Normenkette
EG Nr. 1393/2007 Art. 14; ZPO § 148 Abs. 1, § 261 Abs. 3, § 339 Abs. 2, §§ 1061, 1064 Abs. 2, § 1068 Abs. 1
Tenor
1. Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Agrarkammer der Tschechischen Republik vom 6. Mai 2021, Aktenzeichen: ..., der folgenden Wortlaut hat:
1. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, der Antragstellerin den Betrag von EUR 116.640,52 mit einem Zins von 8,25 % jährlich aus dem Betrag von EUR 116.540,52 vom 3. Dezember 2020 bis zur Bezahlung und an Verfahrenskosten den Betrag von 296.306,00 CZK zu zahlen, alles binnen 15 Tagen nach Zugang dieses Schiedsspruchs.
2. Dieser Schiedsspruch ist endgültig. Mit Zugang an die Parteien erlangt er die Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung und ist gerichtlich vollstreckbar,
wird für vollstreckbar erklärt.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf EUR 116.640,52 festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs.
Beide Parteien erbringen gewerbliche Baudienstleistungen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragsgegnerin liegt in dem Erbringen von Elektro- und Netzwerkinstallationen. Die Parteien schlossen am 11. Januar 2016 einen Rahmenvertrag (Bl. 5 ff. d. A.) über die Zusammenarbeit bei der Erbringung derartiger Dienstleistungen gegenüber Dritten.
In diesem Rahmenvertrag wird als Sitz der Antragstellerin "Straße1, Stadt1" angegeben.
Bestandteil dieses Rahmenvertrages war eine Schiedsklausel (Ziffer 15.6). Danach sollten Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ansprüchen aus diesem Vertrag vor dem Schiedsgericht der Handels- und Agrarkammer der Tschechischen Republik verhandelt und entschieden werden.
Nach Ziff. 15.5 Satz 1 unterliegen der Rahmenvertrag und sämtliche hiermit im Zusammenhang stehende Ansprüche und Verpflichtungen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, unter Ausschluss des UN-Kaufrechts.
Ende 2020 wandte sich die Antragstellerin mit einem Schiedsantrag an das oben genannte Schiedsgericht. Die betreffende Schiedssache wurde dort unter dem Aktenzeichen ... geführt.
Am 6. Mai 2021 erging in jenem Verfahren ein Schiedsspruch. Im Rubrum des Schiedsspruchs wird als Sitz der Antragstellerin "X, Straße2, PLZ ..., Tschechische Republik" angegeben.
Das Schiedsgericht verurteilte die Antragsgegnerin, der Antragstellerin einen Betrag in Höhe von EUR 116.640,52 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8,25 % jährlich aus diesem Betrag für den Zeitraum vom 3. Dezember 2020 bis zur Bezahlung sowie Verfahrenskosten in Höhe von CZK 296.306,00 zu zahlen, jeweils binnen 15 Tagen nach Zugang des Schiedsspruchs. Ziff. 2 des Tenors des Schiedsspruchs lautete: "Dieser Schiedsspruch ist endgültig. Mit Zugang an die Parteien erlangt er die Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung und ist gerichtlich vollstreckbar".
Zur Begründung führte das Schiedsgericht u. a. aus, dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin Leistungen erbracht habe. Hinsichtlich der diesbezüglichen Rechnungen der Antragstellerin sei noch ein Gesamtbetrag in Höhe von EUR 116.640,52 offen (Tz. 6 des Schiedsspruchs). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Schiedsgerichts wird auf den als Anlage K 2 im Original zu den Akten gereichten Schiedsspruch Bezug genommen (Bl. 28 ff. d. A.).
Die Antragsgegnerin erbrachte keine Zahlungen auf diese Forderung. Stattdessen erhob sie vor dem Landgericht Kassel gegen die Antragstellerin Klage, die dort unter dem Aktenzeichen ... geführt wurde.
Mit Versäumnisurteil vom 24. Januar 2022 (Bl. 55 f. d. A.) stellte das Landgericht Kassel in jenem Verfahren antragsgemäß fest, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Agrarkammer der Tschechischen Republik vom 6. Mai 2021 "für die Parteien keine Rechtskraft entfaltet" (Ziff. 1 des Tenors). Zugleich stellte das Landgericht fest, dass der durch die Antragstellerin "geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von EUR 116.640,52 verjährt ist" (Ziff. 2 des Tenors). Die Einspruchsfrist wurde auf einen Monat festgesetzt (Ziff. 4 des Tenors).
Im Rubrum dieses Versäumnisurteils wird als Sitz der Antragstellerin "Straße1, Stadt1" angegeben.
Auf der dem Senat vorliegenden Ausfertigung des Versäumnisurteils der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel findet sich ein Stempelaufdruck, ausweislich dessen das Versäumnisurteil an die Beklagte - also die hiesige Antragstellerin - am 31. März 2022 zugestellt worden sein soll. Das Versäumnisurteil enthielt im Anschluss an den Tenor weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe, sondern lediglich eine Rechtsmittelbele...