Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen Gerichtsgebühr auf die dem gem. § 121 ZPO beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Wegen der Regelung des § 15a Abs. 1 RVG wirkt sich die von Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV vorgesehene hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr nur dann auf die Festsetzung der gem. § 45 Abs. 1 RVG von der Staatskasse zu zahlenden Verfahrensgebühr aus, wenn auf die Geschäftsgebühr ein Betrag gezahlt wurde, der so hoch ist, dass die Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr gegen die Staatskasse dazu führen würde, dass der Rechtsanwalt wegen des Anfalls von Geschäfts- und Verfahrensgebühr mehr erhielte als die um die Hälfte der Geschäftsgebühr verminderte Summe von Geschäfts- und Verfahrensgebühr.

 

Normenkette

RVG §§ 15a, 45; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV § 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 18.03.2013; Aktenzeichen 2 O 64/12)

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Antragstellerin vom 28.2.2013 wird der Beschluss des LG Limburg vom 14.2.2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die der Rechtsanwältin ... aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf EUR 833 festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Nachdem die Antragstellerin vorgerichtlich für den Beklagten tätig geworden und für diese Tätigkeit gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 RVG-VV eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von EUR 17.590,37 i.H.v. EUR 787,80 angefallen war, führten die Parteien vor dem LG Limburg einen Rechtsstreit über den selben Streitgegenstand. In diesem bewilligte das LG dem Beklagten mit Beschluss vom 13.7.2012 (Bl. 64 d.A.) Prozesskostenhilfe und ordnete ihm die Antragstellerin bei. Nach mündlicher Verhandlung am 9.1.2013, in der die Antragstellerin für den Beklagten auftrat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 9.1.2013, Bl. 90 d.A.), verurteilte das LG den Beklagten mit Urteil vom 20.1.2013 (Bl. 108 bis 117 d.A.) gemäß den Anträgen der Klägerin. Auf die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr zahlte der Beklagte lediglich einen Betrag von EUR 100.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 7.2.2013, ihr für ihre Tätigkeit in erster Instanz eine Vergütung i.H.v. insgesamt EUR 833 gegen die Staatskasse festzusetzen. Auf diesen Antrag setzte das LG mit Beschluss vom 14.2.2013 einen Betrag von nur EUR 412,22 zugunsten der Antragstellerin gegen die Staatskasse fest. Mit Schriftsatz vom 28.2.2013 erhob die Antragstellerin ein als "Beschwerde" bezeichnetes Begehren und beanstandete, dass das LG auf die erstinstanzliche angefallene Verfahrensgebühr die wegen ihrer vorgerichtlichen Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr hälftig, d.h. i.H.v. EUR 393,90, mit der Folge angerechnet hatte, dass wegen der Verfahrensgebühr keinen Betrag mehr festzusetzen war. Das LG behandelte das Begehren der Antragstellerin als Erinnerung und wies diese nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin mit - der Antragstellerin am 19.3.2013 zugegangenem - Beschluss des Einzelrichters vom 18.3.3013 zurück.

Mit am 26.3.2013 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG vom 18.3.2013 erhoben und dessen Abänderung um EUR 420,78 zu ihren Gunsten begehrt. Nachdem das LG der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 2.4.2013 nicht abgeholfen hat, hat der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 29.4.2013 zu dem Rechtsmittel Stellung genommen. Mit Beschluss vom 16.5.2013 hat der Einzelrichter des Senats das Verfahren gem. § 56 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2, 3. Alt. RVG auf den Senat übertragen.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß als § 56 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG statthaft.

Sie ist zulässig; insbesondere ist die von § 56 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG für die Zulässigkeit der Beschwerde vorausgesetzte Mindestbeschwer überschritten. Auch die in §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG normierte Beschwerdefrist ist gewahrt.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Zutreffend hat das LG das mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.2.2013 erhobene Begehren als Erinnerung qualifiziert; es hätte jedoch auf diese hin den Beschluss vom 14.2.2013 antragsgemäß abändern müssen. Zwar ist das LG bei der Zurückweisung der Erinnerung der bislang ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt. Der Senat hält indes an dieser nicht mehr fest (s. dazu unten unter 2. b) aa)).

a) Die Erinnerung vom 28.2.2013 war zulässig, § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG.

b) Die Erinnerung war auch begründet.

Die Antragstellerin kann als dem Beklagten gem. § 121 ZPO beigeordnete Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit in der ersten Instanz aus § 45 Abs. 1 RVG eine Vergütung i.H.v. insgesamt EUR 833 von der Staatskasse beanspruchen, so dass der Beschluss des LG vom 14.2.2013 entsprechend abzuändern ist.

aa) Gemäß § 2 Abs. ...

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