Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtberücksichtigung der in Österreich gezahlten Familienbeihilfe in einer gerichtlichen Unterhaltsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob bei einer österreichischen gerichtlichen Unterhaltsentscheidung die Nichtberücksichtigung der in Österreich gezahlten Familienbeihilfe einen Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund wegen Verstoßes gegen den ordre public-Vorbehalt i.S.d. Art. 45 Abs. 1, 34 Nr. 1 EuGVVO begründen kann.

 

Normenkette

EuGVVO §§ 34, 45

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Beschluss vom 13.10.2004; Aktenzeichen 1 O 1102/04)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.091,37 EUR.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des LG Hanau angeordnet, dass der näher bezeichnete Beschluss des Bezirksgerichts ..., Österreich, vom 20.5.2003 für vollstreckbar erklärt wird. Gegen diesen am 22.10.2004 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit an das LG gerichtetem Schriftsatz vom 2.11.2004 (Bl. 19 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt. Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des LG Hanau hat die Akte dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Antragsgegner hat seine Beschwerde mit den Schriftsätzen vom 28.12.2004 (Bl. 27 ff. d.A.) und 1.3.2005 (Bl. 66 d.A.) im Einzelnen begründet. Die Antragstellerin ist der Beschwerde mit Schriftsatz vom 3.2.2005 (Bl. 59 ff. d.A.) entgegen getreten.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gem. den Art. 43 EuGVVO, §§ 1 Abs. 1 Nr. 2b, 11 ff. AVAG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insb. fristgerecht eingelegt worden. Es ist auch gem. § 11 Abs. 2 AVAG unerheblich, dass der Antragsgegner seine Eingabe an das LG gerichtet hat.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor; weder fehlt es an den formellen Voraussetzungen hierfür, noch ist ein Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gegeben.

Zutreffenderweise hat das LG seine Entscheidung auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) gestützt. Diese ist in den Mitgliedsstaaten am 1.3.2002 in Kraft getreten. Gemäß Art. 66 Abs. 1 EuGVVO sind die Vorschriften dieser Verordnung nur auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist. Wie sich aus dem Inhalt der vorgelegten Entscheidung und insb. den von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen ergibt, trifft dies auf die vorliegende Entscheidung offensichtlich nicht zu, weil der zu der verfahrensgegenständlichen Entscheidung des Bezirksgerichts ... führende Antrag vor diesem Zeitpunkt gestellt worden ist. Gemäß Art. 66 Abs. 2a EuGVVO richtet sich die Vollstreckbarerklärung allerdings dann nach der EuGVVO, wenn die Klage im Ursprungsmitgliedsstaat vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung erhoben worden ist, die Entscheidung nach diesem Zeitpunkt erlassen ist und die Klage im Ursprungsmitgliedsstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen sowohl im Ursprungsmitgliedsstaat als auch in dem Mitgliedsstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getreten war (Kroppholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 66 EuGVVO Rz. 5). Das damit angesprochene Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ) war im Zeitpunkt der Klageerhebung sowohl in Österreich als auch in Deutschland in Kraft getreten (vgl. im Einzelnen Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., A. 1. Einl. Rz. 36; Kroppholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Einl. Rz. 13). Der verfahrensgegenständliche Beschluss des Bezirksgerichts ... vom 20.5.2003 ist auch nach In-Kraft-Treten des EuGVVO erlassen worden, so dass für diese Entscheidung die Vorschriften des EuGVVO nach den obigen Grundsätzen einschlägig sind.

Vorsorglich bemerkt der Senat, dass nach der bezeichneten Verordnung auch gerichtliche Entscheidungen in Unterhaltssachen für vollstreckbar erklärt werden können. Soweit die Verordnung mit dem weiteren Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 konkurrieren könnte, auf den die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 3.2.2005 verweist, ist dies vorliegend unerheblich. Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit dieses Staatsvertrages im Verhältnis zu Österreich gehen gem. Art. 71 EuGVVO jedenfalls die Spezialverträge nur vor, wenn und soweit sie diesen Vorrang auch in Anspruch nehmen, was bei dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 nicht der Fall ist (vgl. dazu Göppinger/Wax/Linke, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 3261 ff.; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 71 Brüssel I-VO Rz. 17 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Au...

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