Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenwiderspruch gegen "Schubladenverfügung"
Leitsatz (amtlich)
Erwirkt der Unterlassungsgläubiger ohne vorherige Abmahnung eine einstweilige Verfügung, kann der Anlass zur Stellung des Eilantrages nicht daraus nachträglich hergeleitet werden, dass der Unterlassungsschuldner auf eine nach Erlass, jedoch vor Zustellung der "Schubladenverfügung" ausgesprochene Abmahnung die geforderte Unterwerfungserklärung nicht abgibt (Änderung der Senatsrechtsprechung im Hinblick auf BGH GRUR 2010, 257 - Schubladenverfügung). Erkennt der Schuldner nach Zustellung der Unterlassungsverfügung den Anspruch - etwa durch Kostenwiderspruch - sofort an, kann er sich daher mit Erfolg auf die Vorschrift des § 93 ZPO berufen.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.02.2012; Aktenzeichen 2/3 O 473/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Antragstellerin.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin eine im Beschlusswege ohne Anhörung der Antragsgegnerin erlassene Unterlassungsverfügung erwirkt. Nach Erlass der einstweiligen Verfügung, jedoch vor deren Zustellung hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin erfolglos abgemahnt.
Auf den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin hat das LG mit Urteil vom 9.2.2012, dem Antragstellervertreter zugestellt am 15.2.2012, die einstweilige Verfügung im allein angegriffenen Kostenpunkt abgeändert und die Kosten des Eilverfahrens der Antragstellerin auferlegt. Hiergegen hat die Antragstellerin am 20.2.2012 ein als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.
II. Mit dem Rechtsmittel wendet sich die Antragstellerin gegen das auf den Kostenwiderspruch ergangene Urteil des LG, mit dem unter Abänderung der Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung die Kosten des Eilverfahrens der Antragstellerin auferlegt worden ist. Gegen dieses Urteil ist - da es sich der Sache nach um eine Kostenentscheidung zu einem Anerkenntnisurteil handelt (vgl. OLG Frankfurt WRP 1996, 799) - gem. § 99 II ZPO nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, nicht jedoch das Rechtsmittel der Berufung gegeben (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Rz. 13 zu Kap. 55 m.w.N.). Da mit dem eingelegten Rechtsmittel jedoch die Beschwerdefrist des § 569 I 1 ZPO gewahrt worden ist, kann das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde behandelt werden.
Die demnach zulässige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat mit Recht die Voraussetzungen des § 93 ZPO als erfüllt angesehen, weil die Antragsgegnerin im Sinne dieser Vorschrift zur Einreichung des Eilantrages - ohne vorherige Abmahnung - keinen Anlass gegeben hat.
Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin vor Einreichung des Eilantrages nicht abgemahnt. Auch die engen Voraussetzungen, unter denen die vorherige Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sein kann (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Rz. 1.43 ff.), sind nicht gegeben; dies macht auch die Antragstellerin nicht geltend.
Ein Anlass für die Einreichung des Eilantrages i.S.v. § 93 ZPO kann schließlich nicht daraus hergeleitet werden, dass die Antragsgegnerin auf die nach Erlass, jedoch vor Zustellung der "Schubladenverfügung" ausgesprochene Abmahnung der Antragstellerin vom 21.11.2011 mit Antwortschreiben vom 24.11.2011 den beanstandeten Wettbewerbsverstoß in Abrede gestellt hat. Der erkennende Senat hat allerdings in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung (vgl. GRUR-RR 2001, 72 sowie zuletzt Beschl. v. 2.6.2005 - 6 W 67/05 - m.w.N.) die Auffassung vertreten, auch die ablehnende Reaktion des Antragsgegners auf eine nach Erlass der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Abmahnung könne ein Indiz dafür sein, dass ein Anlass zur Antragstellung bereits bei Einreichung der Antragsschrift bestanden habe. An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch im Hinblick auf die inzwischen ergangene Entscheidung "Schubladenverfügung" des BGH (GRUR 2010, 257) nicht mehr fest.
Der BGH hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass die Kosten für eine erst nach Erlass der Verbotsverfügung ausgesprochene Abmahnung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig seien. Insbesondere könne eine nachgeschaltete Abmahnung nicht als im objektiven Interesse (§§ 683, 1 i.V.m. 677, 670 BGB) des Unterlassungsschuldners liegend angesehen werden, weil sie die Funktion, dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, durch eine Unterwerfungserklärung einen Rechtsstreit und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden, von vornherein nicht mehr erfüllen könne, wenn eine einstweilige Verfügung bereits erlassen ist. Vielmehr sei es für den Schuldner in diesem Fall am kostengünstigsten, wenn die einstweilige Verfügung zugestellt wird und er gegen diese Verfügung Kostenwiderspruch einlegt oder eine Unterwerfungserklärung abgibt; denn in diesem Fall greife zu seinen Gunsten regelmäßig die Vorschrift des § 93 ZPO ein (a.a.O. Rz. 17).
Aus dieser Rechtsprec...