Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Entbehrlichkeit der vorprozessualen Abmahnung im Hinblick auf § 93 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die zur Vermeidung von Kostennachteilen für den Antragsteller gemäß § 93 ZPO grundsätzlich erforderliche Abmahnung vor Beantragung einer einstweiligen Verfügung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn durch die Abmahnung der einstweilige Rechtsschutz vereitelt würde, die Abmahnung aus der Sicht des Antragstellers wegen eines besonders böswilligen und hartnäckigen Verhaltens des Verletzers unzumutbar ist oder die Abmahnung aus anderen Gründen von vornherein sinnlos erscheint. Dafür reicht es allein noch nicht aus, dass der Antragsteller von einem vorsätzlichen Verstoß des Antragsgegners ausgehen muss. Bei der vorzunehmenden Beurteilung kann das Verhalten des Verletzers nach Erlass der einstweiligen Verfügung nicht berücksichtigt werden.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.01.2018; Aktenzeichen 3-10 O 119/17) |
Tenor
1.) Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
2.) Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Antragstellerin.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.) Die Beschwerde ist zulässig.
Mit dem Rechtsmittel wendet sich die Antragstellerin gegen das auf den Kostenwiderspruch ergangene Urteil des Landgerichts, mit dem unter Abänderung der Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung die Kosten des Eilverfahrens der Antragstellerin auferlegt worden sind. Gegen dieses Urteil ist - da es sich der Sache nach um eine Kostenentscheidung zu einem Anerkenntnisurteil handelt (vgl. Senat, NJW-RR 2012, 1018 [OLG Koblenz 31.05.2012 - 14 W 285/12] ; Senat, NJW-RR 1996, 1535) - in analoger Anwendung von § 99 II ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben. Diese wurde auch fristgerecht binnen der Zwei-Wochen-Frist des § 569 I 1 ZPO eingelegt.
2.) Die Beschwerde ist nicht begründet. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, können sich die Antragsgegner auf die Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO berufen, da die Antragstellerin unter den Voraussetzungen des vorliegenden Falles ohne vorherige Abmahnung keinen Anlass zur Stellung des Eilantrags hatte.
Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der Antragsgegner dann keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, wenn er zuvor nicht abgemahnt wurde (Senat, GRUR-RR 2001, 72; Bacher, in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl. 2016, S. 501 Rnr. 21a). Eine Abmahnung wurde hier unstreitig nicht ausgesprochen.
Auch liegen hier keine der von diesem Grundsatz geltenden Ausnahmen vor. Von dem Erfordernis, den Schuldner vor Klageerhebung abzumahnen, kann unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden, die hier jedoch nicht erfüllt sind (vgl. etwa Schmitz-Fohrmann/Schwab, in: Götting/Nordemann, § 12 UWG, 3. Aufl. 2016, Rnr. 8 ff.). Weder rechtfertigte alleine die Tatsache des vorsätzlichen Handels ein Absehen von einer Abmahnung (a), noch wäre der effektive Rechtsschutz durch eine vorherige Abmahnung vereitelt worden (b); schließlich wäre eine Abmahnung für die Antragstellerin auch nicht unzumutbar (c) oder sinnlos (d) gewesen.
a) Soweit sich die Antragstellerin auf ein vorsätzliches Verhalten der Antragsgegner beruft, ist dies aus mehreren Gründen nicht geeignet, die Abmahnung entbehrlich zu machen.
(1) Schon grundsätzlich kann alleine die Tatsache, dass der Verletzer vorsätzlich gehandelt hat, die Entbehrlichkeit der Abmahnung nicht begründen (Senat, Beschluss vom 15.10.2004, 6 W 194/04; OLG Oldenburg, NJW-RR 1990, 1330; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 12 UWG, 36. Aufl. 2018, Rnr. 1.66; BeckOK-Jaspersen BGB, § 93 ZPO, 27. Ed., Rnr. 52; Bacher, in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl. 2016, S. 508, Rnr. 36). Für den Antragsteller ist nur schwer feststellbar, ob der Verletzer überhaupt mit Unrechtsbewusstsein handelt. Darüber hinaus unterwirft sich auch ein rational handelnder Verletzer häufig einer Abmahnung, um dem Risiko einer Verurteilung zu entgehen (BeckOK-Jaspersen, § 93 ZPO, 27. Ed., Rnr. 52; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 12 UWG, 36. Aufl. 2018, Rnr. 1.66).
(2) Darüber hinaus kann den Antragsgegnern hier auch schon kein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden.
Erforderlich ist ein vorsätzliches Handeln in der zivilrechtlichen Schuldform, das heißt der Vorsatz muss das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit umfassen. Im vorliegenden Fall reicht hierfür die Tatsache nicht aus, dass gegen die A GmbH im Jahr 2016 bereits eine einstweilige Verfügung aufgrund von Schutzrechtsverletzungen ergangen ist. Denn zum einen handelt es sich dabei um eine andere juristische Person als im hiesigen Fall. Nicht ersichtlich ist, weshalb ein Verhalten der damaligen Antragsgegnerin den jetzigen Antragsgegnern nur deshalb "zugerechnet" werden sollte, weil der ehemalige Prokurist der A GmbH jetzt Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.) ist. Darüber hinaus handelt es sich aber au...