Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafverfahren. Verwerfung der Berufung durch den Tatrichter bei Vorliegen eines Wiedereinsetzungsantrags
Leitsatz (amtlich)
Wird verspätet Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist beantragt, ist das Amtsgericht zur Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht mehr befugt (Aufgabe von OLG Frankfurt a. M., 5. November 2002, 3 Ws 1172/02, NStZ-RR 2003, 47, 48).
Normenkette
StPO §§ 44, 319 Abs. 1, § 322 Abs. 1 S. 1, § 346 Abs. 1, § 349 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 28.02.2014; Aktenzeichen 3 Ns 204 Js 8895/12) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen - 3. kleine Strafkammer - vom 28. Februar 2014 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
Das Landgericht hat unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts Alsfeld vom 21. Januar 2014 das Gesuch des Angeklagten um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Alsfeld vom 18. Juni 2013 und die Berufung gegen das genannte Urteil als unzulässig verworfen.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde, wobei es sich der Sache nach um zwei Rechtmittel handelt.
Diese sind gemäß § 46 Abs. 3 StPO und § 322 Abs. 2 StPO statthaft und auch sonst zulässig, haben aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses aber keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Zu Recht hat das Landgericht die Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben und in eigener Zuständigkeit sowohl über das Wiedereinsetzungsgesuch (§ 46 Abs. 1 StPO) als auch die Verwerfung der Berufung als unzulässig entscheiden (§ 322 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wegen des zugleich gestellten Wiedereinsetzungsantrags war das Amtsgericht zu einer Verwerfung der Berufung gemäß § 319 Abs. 1 StPO nicht mehr befugt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 3 StR 461/12; Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 346 Rn. 16). Soweit sich aus früherer Senatsrechtsprechung (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 47, 48) anderes ergibt, wird hieran nicht festgehalten. Über die Gewährung von Wiedereinsetzung hatte gemäß § 46 Abs. 1 StPO ebenfalls das Berufungsgericht zu entscheiden.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Wiedereinsetzungsgesuch unzulässig. Der Antrag muss Angaben nicht nur über die versäumte Frist und den Hinderungsgrund, sondern auch den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten. Diese Angaben sind Zulässigkeitsvoraussetzungen. Sie müssen noch innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gemacht werden (BGH NStZ-RR 1996, 338). Dazu gehörte hier die Darlegung des Zeitpunkts, zu dem der Angeklagte Kenntnis davon erlangte hatte, dass die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt war, weil ansonsten nicht geprüft werden kann, ob die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gewahrt ist. Einer Belehrung über die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung bedurfte es nicht (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1997 - 1 StR 142/97).
Auch die Verwerfung der Berufung als unzulässig erfolgte zu Recht, weil diese entgegen § 314 Abs. 1 StPO verspätet eingelegt worden war (§ 322 Abs. 1 Satz 1 StPO). Selbst eine unterbliebene Rechtsmittelbelehrung hätte auf den Lauf der Berufungsfrist keinen Einfluss (BGH NStZ 1984, 329; Meyer-Goßner aaO. § 35a Rn. 13).
Fundstellen
Haufe-Index 8404117 |
NStZ-RR 2014, 254 |
NJW-Spezial 2014, 473 |