Leitsatz (amtlich)
›Eine Treuhandtätigkeit unterfällt nicht bereits deshalb einem Geheimhaltungsschutz, weil sie von einem Rechtsanwalt oder Notar ausgeübt wird. Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs 1 StPO besteht nicht, wenn ein Berufsgeheimnisträger mit Tätigkeiten betraut wird, die für seine berufliche Qualifikation und Stellung nicht kennzeichnend sind.‹
Gründe
Die Behörden der Russischen Förderation haben mit Ersuchen vom 17. Februar 2000 u.a. um Beschlagnahme und Herausgabe der Unterlagen des Treuhandkontos Nr. ... des Rechtsanwalts und Notars Dr. S. bei der ... in ... ersucht. Das Amtsgericht ... hat mit Beschluß vom 29. Juni 2000 die Beschlagnahme angeordnet. Die ...bank in ... hat die Unterlagen zur Abwendung der Durchsuchung der Bankräume an die Staatsanwaltschaft in ... übergeben. Eine Herausgabe an die Behörden der Russischen Förderation ist noch nicht erfolgt. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist der Ansicht, es handele sich um beschlagnahmefreie Gegenstände und beantragt, die Herausgabe für unzulässig zu erklären. Der Antrag hat keinen Erfolg.
I.
Dem Rechtshilfeersuchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Russische Förderation war über ihre Industrie- und Handelskammer (HIK der RF) Eigentümer eines Messegrundstücks in Leipzig. Im April-Juni 1995 organisierten der Präsident der HIK der RF S. und der Leiter der Verwaltung Devisen und Finanzen der Kammer B. eigenmächtig den Verkauf des Grundstücks an die L. GmbH in L. zum Preis von 18 Mio. DM nebst Zurverfügungstellung von Büro- und Handelsflächen für die Dauer von fünf Jahren. Der Grundstückskaufvertrag mit Auflassung wurde am 20. Juni 1995 vor dem Notar M. mit dem Amtssitz in F. beurkundet. Zu dem Beurkundungstermin erschien für die Verkäufer" Dipl.-Kaufmann L., handelnd als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma L. GmbH in W., diese handelnd aufgrund Vollmacht für die Handels- und Industriekammer der Russischen Förderation mit dem Sitz in Moskau. Gemäß § 3 des Vertrages war der Kaufpreis von 18 Mio. DM zahlbar am 30. Juni 1995 auf das Notaranderkonto des beurkundenden Notars. Weiterhin wurde der Notar angewiesen, den Kaufpreis nebst anteiliger Zinsen nach Eigentumsumschreibung an den Verkäufer" auf das Treuhandkonto des Rechtsanwalts und Notars Dr. S. Nr. ... bei der ...bank zu überweisen. Gemäß Urkunde des Notars M. vom 23. Juli 1996 bestätigte Dipl.- Kaufmann L. für die Verkäufer", daß bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen der Kaufpreis nebst Zinsen weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung auf das in der Urkunde vom 20. Juni 1995 angegebene Treuhandkonto des Rechtsanwalts und Notars Dr. S., Konto-Nr. ... bei der ...bank AG, auszuzahlen ist.
Am 27. November 1996 gingen auf dem Treuhandkonto 18.280.843,67 DM ein. Nach dem Rechtshilfeersuchen wurden hiervon u.a. folgende Zahlungen getätigt:
20.390,-- DM Gerichtskosten 90.265,26 DM Rechtsanwaltskosten 973.300,50 DM Konsultationsbedienungen 1.035.000,-- DM Honorar Fa. L.
Weitere Gelder flossen auf verschiedenen Konten der HIK der RF, die auf Weisung S. für Kredittilgung, Unterhaltung der Vertretungen der Kammer in Japan, Finnland, Ungarn, Türkei sowie für den Bau eines Wohnkomplexes in Moskau verbraucht wurden. Die Russische Förderation beziffert ihren Schaden unter Berücksichtigung des Bilanzwertes des Grundstücks und der im Zusammenhang mit der Abwicklung des Geschäfts angefallenen Kosten auf insgesamt 33.413.477.500 Rubel. Sie ermittelt u.a. gegen S. und B. wegen des Verdachts der Unterschlagung.
II.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist nach § 61 Abs.1 S.2, 1. Alt. IRG statthaft. Er ist jedoch nicht begründet.
1. Der Beschlagnahme unterliegen nicht schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und gesetzlich bestimmten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen (§ 97 Abs.1 Nr.1 StPO), Aufzeichnungen, welche diese Personen über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, und auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (§ 97 Abs.1 Nr.2 StPO) sowie andere Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht dieser Personen erstreckt (§ 97 Abs.1 Nr.3 StPO). Zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind nach § 53 Abs.1 Nr.3 StPO Rechtsanwälte und Notare über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Die Beschlagnahmebeschränkung gilt gemäß § 97 Abs.2 StPO zwar nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind. Das ist hier nicht der Fall, da sich die Unterlagen im Gewahrsam der ...bank befanden. Nach § 97 Abs.4 StPO sind die Absätze 1 bis 3 der Vorschrift aber entsprechend anzuwenden, soweit die Berufshelfer im Sinne des § 53a StPO das Zeugnis verweigern dürfen. Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist der Ansicht, Kreditinstitute seien im Hinblick auf die Führung von Notaranderkonten als Berufshelfer im Sinne des § 53a StPO anzusehen, weil...