Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltsgesetz. Einreise. Identitätstäuschung. Pass. Passlosigkeit. Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen passlosen Aufenthalts nach § 95 I Nr. 1 AufenthG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Strafbarkeit eines Ausländers wegen passlosen Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn er nicht in zumutbarer Weise seinen ausweisrechtlichen Pflichten nach § 48 Abs. 2 und 3 AufenthG nachgekommen ist und daher jedenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung in Form des Ausweisersatzes hat.
2. Ein Ausländer kann einen Pass dann nicht in zumutbarer Weise erlangen, wenn ihm von seinen Heimatbehörden ein Pass verweigert wird oder wenn er einen solchen nicht in angemessener Zeit oder nur unter schwierigen Umständen erhalten kann.
Normenkette
StPO § 354 Abs. 2, §§ 353, 349 Abs. 4; AufenthV § 5 Abs. 2; AufenthG § 48 Abs. 3, 2, § 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.03.2012; Aktenzeichen 5/5 Ns 3540 AR 3435/10 (110/11)) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Gründe
Der Angeklagte wurde ursprünglich durch das Amtsgericht Frankfurt am Main am 13.10.2009 wegen Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Pass und Ausweisersatz in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 125 Tagessätzen in Höhe von je 10,-- Euro verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten dagegen wurde das angefochtene Urteil durch die 10. Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 20.4.2010 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Pass oder Ausweisersatz zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 5,-- Euro verurteilt wird, wobei ihm gestattet wurde, die Geldstrafe in monatlichen Raten von je 30,-- Euro zu zahlen. Auf die Revision dagegen hob der Senat mit Beschluss vom 12.8.2011 das landesgerichtliche Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurück. Mit Urteil der 5. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5.3.2012 wurde das angefochtene Urteil auf die Berufung des Angeklagten dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Aufenthalts ohne Pass oder Ausweisersatz in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 120 Tagessätzen à 5,-- Euro verurteilt wurde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die auf die allgemein erhobene Sachrüge gebotene umfassende sachlich rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die vom Landgericht betroffenen Feststellungen erweisen sich als lückenhaft. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 26.6.2012 ausführt, lassen sich dem Urteil keine ausdrücklichen als solche bezeichnete Feststellungen entnehmen. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft rechtfertigt dies schon die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Sachdarstellung des Urteils muss nämlich in sich geschlossen, klar und verständlich sein. Nur dann hat das Revisionsgericht an eine zweifelsfreie Basis für seine Prüfung, ob der Tatrichter in rechtsfehlerfreierweise zu seinen Feststellungen gelangt ist. Erfüllt das Urteil dieser Anforderungen nicht, insbesondere weil die Sachdarstellung formelhaft, nicht vollständig oder nicht voll verständlich ist, so verfällt es der Aufhebung. Insoweit sind die Feststellungen zu ungenau, als dass dem Senat eine sichere Prüfung möglich wäre, ob das Tatgericht in jeder Hinsicht von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist. Vorliegend nimmt die Kammer lediglich eine Beweiswürdigung vor, aus der nicht sicher herauszulesen ist, von welchen Feststellungen letztendlich ausgegangen wird. Lediglich die Schilderungen der Angaben eines Zeugen und die Würdigung, dass die Kammer keinerlei Zweifel an den Angaben des Zeugen hege, vermag keine klaren Feststellungen zu ersetzen, zumal nicht erkennbar wird, wie die Kammer zu einem Aufenthalt ohne Pass oder Ausweisersatz in vier Fällen kommt. Es ist nicht Aufgabe des Senats aus der Beweiswürdigung das herauszusuchen, was die Kammer als festgestellt gelten lassen will.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich allenfalls noch erkennen, dass das Landgericht unter entsprechender Würdigung der Aussagen des Zeugen Z1 folgende Feststellungen zugrunde gelegt hat, wie es die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main in ihrer Stellungnahme vom 26.6.2012 darlegt:
"Der Angeklagt...