Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Teilentscheidung bezüglich Umgangsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der bloßen Feststellung, eine gerichtliche Umgangsregelung sei derzeit nicht möglich, handelt es sich um eine unzulässige Teilentscheidung.

 

Normenkette

BGB § 1684

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3. wird die Sache unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadt2 vom 19.05.2023 und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 3. begehrt eine gerichtliche Regelung des Umgangs mit dem am XX.XX.2019 geborenen Beteiligten zu 1.

Aus der Partnerschaft der Beteiligten zu 3. und zu 4. ist der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Kind) hervorgegangen. Die Beteiligte zu 4. (im Folgenden: Mutter) stimmte dem Vaterschaftsanerkenntnis des Beteiligten zu 3. zu. Die Eltern trennten sich vor der Geburt des Kindes. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter. Bis zum Haftantritt des Beteiligten zu 3. (im Folgenden: Vater) im Frühjahr 2022 fanden drei begleitete Umgänge mit dem Kind statt; seit der Inhaftierung des Vaters findet kein Umgang mehr statt.

Aktuell befindet sich der Vater aufgrund einer Maßnahme nach § 64 StGB in der A Klinik für forensische Psychiatrie in Stadt1, über deren Antrag auf Beendigung der Maßnahme nach § 67b Abs. 5 StGB zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht entschieden war. Die Klinik teilte mit, Umgänge in der Einrichtung seien grundsätzlich möglich und würden durch die Klinik unterstützt.

Die Mutter erklärte erstinstanzlich ihre Bereitschaft mit der Durchführung begleiteter Umgänge, jedoch möchte sie nicht, dass die Umgänge in einer Psychiatrie oder Justizvollzugsanstalt stattfinden.

Der Verfahrensbeistand hielt eine Umgangsanbahnung durch eine professionelle Begleitung für erforderlich und wies auf das Konfliktpotenzial zwischen den Eltern im Falle deren Aufeinandertreffens hin.

Das Jugendamt erklärte, dass die Umsetzung begleiteter Umgänge in der Vergangenheit schwierig gewesen sei. Es kenne keinen Träger, der unter den gegebenen Umständen zur Umgangsbegleitung bereit sei.

Nach persönlicher Anhörung des Kindes und der Eltern hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.05.2023 - dem Verfahrensbevollmächtigten des Vaters zugestellt am 01.06.2023 - das Verfahren mit der Feststellung beendet, eine umgangsrechtliche Regelung sei derzeit nicht möglich. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Kindeswohl gebiete Umgang in begleiteter Form, der mangels mitwirkungsbereitem Dritten zurzeit nicht umgesetzt werden könne. Ferner sei der Mutter nicht zuzumuten, das Kind zu den Umgängen zu fahren, und ein Fahrdienst sei nicht bekannt. Im Übrigen sei es auch dem Kind nicht zuzumuten, sich ständig an neue Rahmenbedingungen für den Umgang in der Psychiatrie bzw. Justizvollzugsanstalt zu gewöhnen. Wegen der Einzelheiten wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss (Bl. 44 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 3. wendet sich gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit seiner beim Amtsgericht am 30.06.2023 eingegangenen und bislang noch nicht begründeten Beschwerde.

Der Senat hat die Beteiligten durch Verfügung vom 10.07.2023 darauf hingewiesen, dass er erwägt, die angefochtene Entscheidung wegen unzulässiger Entscheidungsform aufzuheben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht.

Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG liegen vor. Danach darf das Beschwerdegericht die Sache ohne Antrag eines Beteiligten unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Dies ist vorliegend der Fall.

Bei der bloßen Feststellung des Amtsgerichts, eine gerichtliche Umgangsregelung sei derzeit nicht möglich, handelt es sich um eine unzulässige Teilentscheidung (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.08.2017 - 8 UF 131/17 = NJW 2018, 559). Das Amtsgericht hat entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret zu regeln oder das Umgangsrecht einzuschränken oder auszuschließen, wenn Kindeswohlaspekte dies gebieten. Die getroffene Feststellung des Amtsgerichts wird dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts, den das Amtsgericht zu Recht betont hat, nicht gerecht. Denn durch eine Entscheidung, die eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert und durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, bleibt das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der umgangsberechtigte Vater aufgrund seiner Inha...

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