Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Teilentscheidung über den Umgang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bleibt nach einer erstinstanzlichen Umgangsentscheidung ein Zeitraum ungeregelt, für den im Hinblick auf das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Umgangsrecht ein Regelungsbedürfnis besteht, wurde über den Umgang nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise umfassend entschieden mit der Folge, dass die Entscheidung gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen werden kann.

2. Kommen statt eines Umgangsausschlusses begleitete Umgangskontakte als milderes Mittel in Betracht, ist es trotz des damit verbundenen Organisations- und Zeitaufwandes Aufgabe des Familiengerichts, einen mitwirkungsbereiten Dritten zu ermitteln, dabei u.a. das Jugendamt um Mitwirkung zu ersuchen und sich gdf. selbst bei fachlich geeigneten Trägern der freien Jugendhilfe zu erkundigen (im Anschluss an OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.8.2023 - 6 UF 119/23, juris Rn. 16).

3. Auf § 1684 Abs. 3 S. 2 BGB kann die Anordnung einer nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbaren flankierenden Beratungsauflage gestützt werden, um die Eltern zur Erfüllung der sich aus § 1684 Abs. 2 BGB ergebenden Wohlverhaltenspflicht anzuhalten (im Anschluss an KG, Beschluss vom 30.1.2019 - 13 UF 161/18, juris Rn. 12).

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 2, 3 S. 2; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2; GG Art. 6 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Weilburg (Beschluss vom 22.11.2023; Aktenzeichen 223 F 187/22 UG)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Mutter und die Anschlussbeschwerden des Vaters und der Verfahrensbeiständin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg vom 22.11.2023

wird dieser

a u f g e h o b e n.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Weilburg

z u r ü c k v e r w i e s e n.

II. Der Mutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe gewährt unter Beiordnung von Rechtsanwalt V.

III. Dem Vater wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe gewährt unter Beiordnung von Rechtsanwältin W.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Das Kind X, geboren am XX.XX.2020, ist aus der zum Zeitpunkt der Geburt bereits beendeten nichtehelichen Beziehung der weiteren Beteiligten zu 1. und 2. hervorgegangen. Die Mutter, die aus früheren Beziehungen zwei weitere Kinder hat, übt die elterliche Sorge für das bei ihr lebende Kind allein aus. Der Vater ist muslimischer Bosnier und hat aus einer früheren Beziehung ein älteres Kind, das in Montenegro lebt. Er lehnt den von der Mutter gewählten Namen des Kindes ab, weil es sich um einen orthodoxen serbischen Namen handele, der ihn auch an "P" und Massaker an seinem Volk erinnere.

Seit der Geburt des Kindes gab es nur wenige begleitete Umgangskontakte. In einem Vorverfahren ... vereinbarten die dort Beteiligten eine begleitete Kontaktanbahnung. In der Folge kam es zu Beratungsgesprächen der Eltern bei der Beratungsstelle1. Nachdem die Beratungsstelle1 mit Schreiben vom 07.02.2022 berichtet hatte, dass eine außergerichtliche Einigung über die Durchführung begleiteter Umgänge nicht getroffen werden konnte, wurde von Amts wegen das vorliegende Verfahren eröffnet.

Das Amtsgericht hat Frau Y als Verfahrensbeiständin bestellt und am 05.04.2022 die Eltern angehört. Es hat sodann ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Zuge der Begutachtung wurden auf Vorschlag der Sachverständigen zunächst fünf begleitete Umgänge bei der Beratungsstelle1 durchgeführt, einer unter Beteiligung der Sachverständigen als Interaktionsbeobachtung. In diesen Terminen haben sich Vater und Kind erstmals kennengelernt. Nachdem die Mutter nach diesen fünf Terminen weiteren Terminen nicht zustimmte, hat das Amtsgericht am 17.01.2023 die Eltern erneut angehört und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind verschafft. Es wurde in dem Termin vereinbart, dass die begleiteten Umgänge fortgeführt werden. Die Beratungsstelle1 teilte mit Schreiben vom 19.04.2023 mit, dass es weitere sechs begleitete Umgänge gegeben habe, allerdings mangels Verselbständigungsperspektive die Maßnahme beendet wurde. Seitdem finden keine Umgangskontakte mehr statt.

Mit Datum vom 12.05.2023 erstattete die Sachverständige Z ihr schriftliches psychologisches Gutachten mit der Empfehlung, den Umgang trotz des positiven Verlaufs der Umgänge und der grundsätzlich gegebenen Feinfühligkeit des Vaters zeitlich begrenzt auszusetzen, da die Eltern nicht in der Lage seien, das Kind vor ihren Konflikten zu schützen.

Mit Beschluss vom 22.11.2023 hat das Amtsgericht den Eltern aufgegeben, den Kurs "Kinder im Blick" bei der Beratungsstelle1 Stadt1 zu absolvieren. Zudem hat es den Umgang des Vaters mit dem Kind dahingehend geregelt, dass dieser ab dem 01.11.2024 an jedem zweiten und vierten Samstag im Monat von 14 bis 16 Uhr stattfindet und eine Ersatzregelung für den Fall getroffen, dass Umgangsterm...

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