Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union: Ausschluss und Befristung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts beim Kilometer-Leasingvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich "Mietwagen" dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit. I) RL 2011/83/EU?

Wenn diese Vorlagefrage verneint wird:

Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?

 

Normenkette

AEUV Art. 268; BGB § 312g Abs. 2 Nr. 9, § 356 Abs. 3 S. 3; Richtlinie 2002/65/EG Art. 2 lit. b); RL 2011/83/EU Art. 2 Nr. 12, Art. 16 lit. I)

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.05.2020; Aktenzeichen 2-12 O 326/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates - ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64-88 - (RL 2011/83/EU) sowie der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG - ABl. L 271 vom 9. Oktober2002, S. 16-24 - (RL 2002/65/EG) vorgelegt:

a) Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich "Mietwagen" dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU?

Wenn die Vorlagefrage 2a) verneint wird:

b) Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne vonArt. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?

 

Gründe

I. (1) Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der Vertragserklärung, die der Kläger als Verbraucher gerichtet auf den Abschluss eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug mit Kilometerabrechnung abgegeben hat. Die Leasinggeberin ist die Beklagte.

(2) Die Parteien schlossen am 05./22. April 2016 unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln einen schriftlichen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung über einen Neuwagen Modell1. Die Laufzeit betrug 48 Monate, ohne dass ein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen war. Der Kläger sollte ein monatliches Entgelt zahlen. Der Vertrag beinhaltete die Abtretung der aus dem Kaufvertrag abgeleiteten Gewährleistungsrechte der Beklagten gegen den Lieferanten des Fahrzeugs an den Kläger. Gewährleistungsrechte des Klägers aus dem (Leasing-)Vertragsverhältnis mit der Beklagten sind nach der vertraglichen Abrede ausgeschlossen. Der Kläger war zudem nach der vertraglichen Abrede mit der Beklagten verpflichtet, für das Fahrzeug auf seine Rechnung eine Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung (mit Selbstbeteiligung) abzuschließen. Ein Andienungsrecht bei Vertragsende oder eine Abnahmeverpflichtung des Klägers wurden nicht vereinbart. Die Beklagte räumte lediglich eine Kaufoption zum regulären Vertragsende zu einem festgelegten Kaufpreis ein. Der Leasingvertrag enthält eine Regelung über die Laufleistung des Fahrzeugs während der Leasingzeit (15.000 km im Jahr) und die Abrechnung von eventuellen Mehr- und Minderkilometern, wobei hierfür feste Beträge vereinbart wurden. Bei Vertragsende sollte das Fahrzeug einen dem Alter und der vertragsgemäßen Laufleistung entsprechenden Erhaltungszustand aufweisen; andernfalls sollte der Leasingnehmer die übermäßige Abnutzung ausgleichen.

(3) Der Leasingvertrag enthält auf Seite 14 eine Widerrufsinformation, mit der nicht über ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht belehrt wird.

(4) Das Fahrzeug wurde am 16. Juli 2016 ausgeliefert. In der Folge wurden von der Beklagten monatliche Raten von 294,44 EUR abgebucht.

(5) Mit E-Mail-Schreiben vom 19. Juli 2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf Abschluss des Leasingvertrags gerichteten Willenserklärung (Anlage A 2 = Bl. 19 d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 09. Juli 2019 wiederholte der Kläger sein Anliegen, jedoch ohne Erfolg.

II. (6) Der Ausgang des Rec...

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