Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Änderung des Tatsachenvortrages im Zugewinnausgleichsverfahren und im nachfolgenden Verfahren betreffend die Auflösung des nunmehr bestrittenen Miteigentums der Eheleute
Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt ein Fall des nach § 242 BGB verbotenen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) vor, wenn im Zugewinnausgleichsverfahren gemeinschaftliches Eigentum behauptet und im nachfolgenden Verfahren betreffend die Auflösung des Miteigentums der Standpunkt vertreten wird, Alleineigentümer zu sein.
2. Wegen der prozessualen Wirkungen des § 138 ZPO muss dasselbe gelten, wenn sich die Änderung des Tatsachenvortrages daraus ergibt, dass in dem einen Verfahren der Vortrag des Gegners nicht ausreichend bestritten wird und erst in dem nachfolgenden Verfahren substantiierter gegenteiliger Vortrag gehalten wird.
Normenkette
BGB §§ 242, 741, 823 Abs. 1, §§ 1008, 1373-1390; ZPO § 138
Verfahrensgang
AG Kassel (Beschluss vom 03.03.2020; Aktenzeichen 520 F 1905/19 RI) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 3.3.2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 9.414,57 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um die Teilhabe der Antragstellerin an einem Wertpapierdepot, welches die Beteiligten gemeinsam eröffnet hatten.
Die am XX.XX.2004 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde nach Trennung der Eheleute am XX.XX.2014 auf den am 16.2.2016 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 4.9.2018 (Aktenzeichen .../15) geschieden. Hierbei hat das Amtsgericht unter anderem auch über den Zugewinnausgleich entschieden. In dieser Folgesache ist der Antragsgegner verpflichtet worden, an die Antragstellerin 26.018,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen. Der Antragsgegner hatte hiergegen Beschwerde eingelegt, weil er seiner Meinung nach nur zu einem Zugewinnausgleich von 9.531,45 EUR verpflichtet sei. Die Antragstellerin legte damals Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der Zahlung eines weiteren Zugewinnausgleichsbetrages von 17.000 EUR ein. Das Beschwerdeverfahren wurde beim hiesigen Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen .../18 geführt. Nach der mündlichen Verhandlung nahm der Antragsgegner seine Beschwerde zurück, so dass auch über die Anschlussbeschwerde nicht mehr entschieden wurde.
Neben vielen anderen Details stritten die Beteiligten im Zugewinnausgleichsverfahren um die Bewertung des Hausgrundstücks Straße1 in Stadt1, welches durchgehend im Alleineigentum des Antragsgegners stand und welches der Antragsgegner am XX.XX.2014 verkauft hatte.
Gegenstand des damaligen Verfahrens war aber auch das hier streitgegenständliche Wertpapierdepot bei der Bank1 mit der Depot-Nr. .... Dieses Depot hatte am 31.12.2015 einen Wert von 15.348,83 EUR. Am 16.2.2016 betrug der Wert nur noch 13.925,22 EUR. Am 22.11.2016 war der Wert auf 18.829,15 EUR angestiegen. Dieses Depot hatten die Eheleute im Juli 2013 gemeinsam eröffnet. Den bei der Bank1 eingereichten "Antrag auf Eröffnung eines Einzel-/ Gemeinschaftsdepots" hatten beide Eheleute unterzeichnet. Beide waren darin als "Depot-/ Kontoinhaber" ausgewiesen. Die Verwaltung des Depots übernahm in der Folgezeit allein der Antragsgegner. Unstreitig war es allein der Antragsgegner, der während der Ehe mit dem Depot handelte, zum Teil Aktien wiederverkaufte oder Geldmittel in Aktien reinvestierte. Die Antragstellerin hatte selbst keinen eigenen Online-Zugang. Am 16.7.2017 löste der Antragsgegner das Depot und das zugehörige Verrechnungskonto auf. Zuvor hatte er den Aktienbestand auf ein neues alleiniges Depot übertragen.
Bei seiner damaligen Auskunft im Zugewinnausgleichsverfahren hatte der Antragsgegner das Bank1- Depot vollständig als Bestandteil seines Endvermögens angegeben. Dem war die Antragstellerin bei ihrer Bezifferung des geltend gemachten Zugewinnausgleichs zunächst gefolgt. Mit Schriftsatz vom 12.2.2018 hat sie klargestellt, dass das Konto bei der Bank1 auf beide Eheleute lautete. Deshalb stehe ihr unabhängig vom Zugewinnausgleich ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des Depotwertes zu. Dieser solle jedoch nicht Gegenstand des Zugewinnausgleichsverfahrens sein. Der Antragsgegner hat eingewendet, dass der Antragstellerin keinesfalls die Hälfte des Depotwertes zustehe. Seiner Behauptung nach stammten sämtliche dort eingezahlten Geldbeträge aus seinem Vermögen.
Im Verbundbeschluss vom 4.9.2018 hat das Amtsgericht das Bank1- Depot jeweils zu 50 % in den jeweiligen Endvermögen beider Eheleute berücksichtigt. Da damals ein Beleg zum Stichtag 16.2.2016 fehlte, legte das Amtsgericht den Wert am 31.12.2015 zugrunde (15.348,83 EUR). Die Hälfte (7.674,42 EUR) stellte das Amtsgericht in beiden Endvermögen ei...