Leitsatz (amtlich)
Es kann offen bleiben, welche Anforderungen im Einzelnen an einen Kraftfahrer beim Vorbeifahren an Kleinkindern zu stellen sind. Die Sorgfaltspflichten gehen jedenfalls nicht so weit, bei zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eine Verminderung der Geschwindigkeit auf 10 km/h zu fordern.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Einstellung des wegen fahrlässiger Tötung geführten Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten. Am 1.8.2005 kam es in der Ortschaft O1 zu einem Verkehrsunfall, bei dem der dreijährige Sohn der Antragsteller noch an der Unfallstelle verstarb. Der Beschuldigte befuhr die Ortsdurchfahrtstraße mit Wohngebietscharakter mit dem von ihm gesteuerten Kastenwagen der Marke ..., Typ ....
Den aus Sicht des Beschuldigten rechten - in seinem Verlauf gut einsehbaren - Bürgersteig beschritt die Antragstellerin in Fahrtrichtung. Sie führte einen Kinderwagen mit sich, an dessen zur Straße abgewandten Seite ihr dreijähriger Sohn ging. Der Beschuldigte näherte sich mit einer Geschwindigkeit von 48 km/h und fuhr im Zeitpunkt der tödlichen Kollision 38 km/h.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg hat das Ermittlungsverfahren am 7.6.2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nach dem Ermittlungsergebnis sei das dreijährige Kind etwa 1 bis 1,5 m auf die Straße gelaufen als das vom Beschuldigten gesteuerte Fahrzeug 13,3 m bis maximal 20 m von der Unfallstelle entfernt gewesen sei. Angesichts der Weg-Zeit-Verhältnisse sei, wobei sich die Staatsanwaltschaft dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. SV1 angeschlossen hat, der Unfall für den Beschuldigten nicht mehr vermeidbar gewesen. Da der Beschuldigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht überschritten habe, sei ihm keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Ihm könne insbesondere nicht vorgeworfen werden, dass er nicht bereits beim Anblick der Mutter mit Kinderwagen und einem weiteren Kind neben sich seine Geschwindigkeit nicht erheblich reduzierte.
Gegen diesen Einstellungsbescheid, der dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 9.8.2006 zuging, haben sie eingehend bei der Staatsanwaltschaft Limburg am 21.8.2006 Beschwerde eingelegt. Diese ist mit Bescheid der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt vom 16.10.2006, der dem Bevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 3.11.2006 zugestellt worden ist, verworfen worden.
Mit dem am 4.12.2006 (Montag) beim Oberlandesgericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehren die Antragsteller die Anordnung der öffentlichen Klage.
II.
1.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er entspricht den gesetzlichen Formerfordernissen des § 172 Abs. 3 StPO.
Nach § 172 Abs. 3 S. 1 StPO muss der Antrag die Tatsachen angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, sowie die Beweismittel. Dazu gehört, dass er eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Sachdarstellung enthält, die dem Gericht ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft eine Überprüfung der Einstellung des Verfahrens ermöglicht. Die erforderliche Sachverhaltsschilderung muss hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestandes so konkret sein, dass bei Unterstellung ihrer Richtigkeit die Erhebung der öffentlichen Klage formell und materiell gerechtfertigt ist (st. Rspr. d. Senat, Beschl. v. 26.7.2006 - 3 Ws 668/06; Beschl. v. 05.04.2004 - 3 Ws 556/0; Beschluss v. 3.3.2003 - 3 Ws 1242/02; Beschl. v. vom 28.09.2000 - 3 Ws 745/00; OLG Stuttgart NStZ-RR 2005, 113; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 172 Rz. 27).
Die Antragsschrift muss im Weiteren eine Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens zumindest in groben Zügen enthalten. Namentlich sind der Inhalt des angegriffenen Beschwerdebescheides bzw. des Einstellungsbescheides und die Gründe für deren Unrichtigkeit anzugeben, um das Oberlandesgericht in die Lage zu versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten nachzuprüfen, ob das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) durch die Einstellung verletzt worden ist (st. Rspr. des Senats aaO - sowie die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. die Nachweise bei Schmid in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 172, Rdnr. 38 und Meyer-Goßner, a.a.O., § 172, Rdnr. 27).
Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift in jeder Hinsicht gerecht, wie dies die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat.
Die Einhaltung der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 S. 1 u. 2 StPO wird ebenfalls vorgetragen.
Zur Einhaltung der Antragsfrist von einem Monat nach § 172 Abs. 2 S. 1 StPO fehlt indes ausreichender Sachvortrag. Zwar wird noch das Datum des Beschwerdebescheids, der 16.10.2006, mitgeteilt. Nicht vorgetragen wird, wann die Antragsteller den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft erhalten haben. Die Einhaltung der Frist ergibt sich auch nicht aus den zeitlichen Umständen. Die Antragsschrift datiert unter dem 4.12.2006 (...